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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen
Autoren: Uwe Westfehling
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eigentlich immer tat, aber ich kannte ihn längst gut genug, um zu erkennen, dass ihm genauso zum Heulen war wie mir.
    Bär klopfte mir auf die Schulter und sagte: »Einen Rat kriegst du noch von mir …«
    »Dass ich auf mich aufpassen soll?« Ich lächelte so tapfer, wie ich konnte.
    »Das auch«, sagte er. »Das immer. Aber noch einen anderen: Was auch geschieht, bleib die, die du bist, welche Kleidung du auch trägst!«
    »Ich verstehe«, sagte ich, und in diesem Augenblick war ich wirklich überzeugt, zu wissen, was er meinte.
    Knaller gab einen lautstarken Wind. Aber ich wusste ja genau, dass dies für ihn eine Art war, Anteilnahme zu zeigen.
    »Passt ihr auf euch auf!«, brachte ich heraus.
    Sie nickten einmütig.
    Dann schwang ich mich in den Sattel, nahm entschlossen die Zügel auf und gab dem Pferd die Fersen, wie ich es gelernt hatte.
    Drei Mal habe ich mich umgewandt. Beim ersten Mal winkten alle drei mir eifrig nach. Beim zweiten waren sie nur nochundeutliche Schemen. Beim dritten konnte ich sie im Nebel nicht mehr erkennen.
    Die Hufe des Pferdes polterten über die hölzerne Zugbrücke. Die Gewölbe der Vorburg warfen das Geräusch dröhnend zurück. Dann war ich auf der vereisten Landstraße – und allein. Neben dem Seitengraben waren Zaunpfähle eingerammt. Einer nach dem anderen tauchte vor mir aus dem Nebel auf und verschwand wieder hinter mir.
    Ich verfiel in Gedanken. Dieser Anblick erschien mir wie ein Gleichnis des Lebens. Dinge und Menschen … sie kommen auf uns zu und rücken wieder von uns weg. Viele bleiben kurz. Mit einigen reisen wir gemeinsam. Die Zukunft ist ungewiss.
    Was würde Grifone tun, wenn ich ihn einholte?
    Übrigens, dachte ich mir, musste ich endlich damit beginnen, ihn nicht mehr mit diesem Namen zu bezeichnen, sondern als den zu benennen, der er war: mein Vater.
    Was würde er sagen?
    Warum auch immer: Er hatte nicht gewollt, dass ich mit ihm ging.
    Und die anderen? Würden sie sich freuen, mich zu sehen?
    Die widersprüchlichsten Gefühle erfüllten mich und erzeugten eine beklemmende Unruhe.
    Endlos schien es zu dauern, bis ich einen Schatten vor mir entdeckte. Ein Packpferd! Das war der Schluss der Kavalkade! Kurz darauf erkannte ich Sambos große Gestalt, dann Pietro, dann Rosanna und schließlich ihn . Sie wandten sich in den Sätteln zu mir um, als sie den Hufschlag meines Pferdes vernahmen. Ich zog die Zügel an. Jetzt hing alles davon ab, wie mein Vater sich verhalten würde. Er blickte mir ohne erkennbare Reaktion entgegen, die hellen Augen unter den buschigen Brauen prüfend und grüblerisch auf mich gerichtet.
    Er denkt nach, wie er mich loswerden kann, ging es mir durch den Kopf. Diese Erkenntnis machte mich wütend.
    »Gebt Euch keine Mühe!«, rief ich. »Ihr könnt mir nichtsbefehlen. Wenn Ihr mich nicht haben wollt, werde ich Euch nicht lästig fallen. Aber in dieser Stadt bleiben, das werde ich auf keinen Fall. Dann gehe ich eben allein!«
    Ich hatte es mir ja gedacht. Verdammter Kerl! Mir ging vor Erregung die Luft aus, und das gerade jetzt, wo ich ihm deutlich zu sagen hatte, was ich von ihm hielt!
    Eine kurze Weile war Stille, während ich krampfhaft nach Atem rang. Dann sah ich, wie er mit aufreizender Ruhe den Kopf schüttelte und abwehrend die Hand hob.
    »Warum schreist du so herum?«, sagte er. »Du hältst uns nur auf. Reih dich lieber hinter mir ein, und schau dir an, wie ich im Sattel sitze. Sonst hast du dir bis heute Abend den Hintern durchgeritten.« Damit wandte er sich ohne weitere Umstände ab und gab seinem Grauschimmel die Sporen. Ich hatte aber doch jenes wölfische Grinsen bemerkt, das ich inzwischen so gut kannte.
    Oh! Ich hätte ihm um den Hals fallen mögen! Ich hätte ihn in den Bauch treten m�gen! Ich tat nichts davon, sondern war nur erstaunt, so leicht gesiegt zu haben. Dieser Dreckskerl! Er hatte tatsächlich nur abgewartet, was ich tun würde! Irgendwann würde ich ihm das heimzahlen. Aber jetzt war ich glücklich.
    Und ich sagte: »Einverstanden – Vater!«
    Rosanna lachte mir zu und schwenkte neben mir ein. Pietro pfiff erleichtert durch die Zähne und nickte zu mir herüber. Ihm würde ich sofort zeigen müssen, woran er war, falls er noch immer nicht begriffen hatte. Dieses eine Mal gab ich ganz meinen Gefühlen nach. Ich lenkte mein Pferd dicht neben seins, beugte mich zu ihm hinüber und drückte ihm einen schmetternden Kuss auf den Mund. Sein verblüfftes Gesicht war ein Vermögen wert. Erst recht, als er das
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