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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen
Autoren: Uwe Westfehling
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lassen, gleich nachdem er fort war. Du kannst doch reiten?«
    Meine Gedanken waren schon weiter. »Und was wird er …«
    »Lass es darauf ankommen. Das ist mein Rat. Stell dir vor, dass er eigentlich das Gegenteil von dem will, was er dir sagt, dass er glaubt, auf diese Art handeln zu müssen – und dass er nur nicht fähig ist, über diese Kluft zu springen. Zu vieles hindert ihn daran. Aber er möchte dich bei sich haben. Glaub es mir. Wenn einer den Sprung tut, kannst nur du das sein … Übrigens haben sie die Straße nach Süden genommen.«
    »Und wenn …«
    »Dann bist wieder du es, die entscheidet. Dann komm zurück, bleib bei mir oder geh ins Kloster, oder reite alleine davon. Aber ich glaube, dass dies die Wahrheit ist: Er wartet auf dich. In seinem Innersten will er nur erproben, wie sehr du tatsächlich willens bist, zu ihm zu gehören …«
     
    Als ich das Pferd zum Tor hinausführte, lag immer noch Nebel über der Stadt. Alles wirkte fremd, als bewege man sich am Grunde eines trüben und kalten Gewässers. La Lupa geleitete mich bis auf die Gasse, verabschiedete mich mit einem Kuss und zeichnete mit dem Finger ein Kreuz auf meine Brust. Sie tat es so beiläufig und unauffällig, dass sie wahrscheinlich glaubte, ich werde es gar nicht bemerken. Ich zog die Hutkrempe ins Gesicht und führte das Pferd noch ein Stück weit am Zügel. La Lupa hielt meine Hand, als sei der Abschied so noch aufzuschieben. Ich weiß nicht mehr genau, in welchem Augenblick sie losgelassen hat. Umgeschaut habe ich mich nicht, damit die Kraft mich nicht verließ. Im Nebeldüster ging ich die Gasse entlang, das Pferd immer noch am Zügel. Im Schatten zwischen zwei Marktbuden regte es sich. Eine Gestalt trat hervor, dann eine zweite, die mir riesenhaft erschien, bis ich erkannte, dass es eigentlich zwei waren: ein Kleiner auf den Schultern eines Dicken.
    »Seid gegrüßt, junger Herr«, sagte Bär; Knaller ließ einmeckerndes Lachen hören, und Zunge verbeugte sich in burlesker Höflichkeit.
    »Ihr seid es …«, sagte ich, und mein Herz hüpfte.
    »Sollten wir dich einfach so gehen lassen – ohne Geleit?«, fragte Bär. »Der Bursche unterschätzt seine besten Freunde noch immer«, fügte er, an seine Kumpane gewandt, hinzu. »Hat noch viel zu lernen, auch wenn er sich gebärdet wie der Ritter von Rotz …«
    »Ein schönes Pferd hat er«, nörgelte Knaller. »Darauf wird er jetzt weit wegreiten …«
    »… und seine alten Freunde vergessen!«, ergänzte Bär.
    »Ich werde euch nie vergessen«, flüsterte ich.
    »Richtig ist«, sagte Bär, »er hat beim Kaiser gespeist und hat uns nicht vergessen. Vielleicht ist das ein gutes Zeichen.«
    »Ihr seid dumm!«, sagte ich.
    »Mag sein.« Bär grinste. »Aber nicht dumm genug, um nicht zu wissen, wie du dich fühlst.«
    »Woher wisst ihr eigentlich, dass ich …«
    »Dein Freund Pietro hat uns Bescheid gesagt. Er fand, das sei er uns schuldig.«
    »Dafür bin ich ihm dankbar. Es kam alles so plötzlich. Aber ich weiß jetzt, was ich tun werde!«
    »Eins war uns gleich klar: Wir haben deinen Vater reiten sehen. Er hatte ein ziemlich verbissenes Gesicht. Und die anderen auch. Da haben wir uns irgendwie gedacht, hehe, dass du dich nicht abhängen lassen würdest.«
    »Ich gehe auf jeden Fall«, murmelte ich.
    »Recht so.« Das war Bär. »Und wer sagt eigentlich, dass wir uns nicht wiedersehen werden? Nichts im Leben ist für immer …«
    Es war gut, dass er das in diesem Augenblick sagte, denn ich war jetzt kaum imstande, den Widerstreit der Gefühle in meiner Brust zu bezähmen.
    Warum muss alles so sein, wie es ist?, hätte ich schreien mögen. Aber ich beherrschte mich doch und kämpfte die Tränen nieder.
    Er hatte ja Recht! Wer konnte es wissen?
    Wir schritten auf der Straße zum Tor des heiligen Severin dahin. Die Kirche desselben Namens mit ihrer merkwürdig gestutzten Turmhaube lag bald hinter uns, und wenig später ragte vor uns die Mauermasse der Torburg steil in den Nebel empor. Die Wachen waren griesgrämig und hatten wenig Interesse für uns.
    »Sind hier vier Reiter mit einem Packpferd durchgekommen?«
    »Gerade eben erst«, sagte einer der Soldaten. »Sie sind noch einmal umgekehrt. Ein Pferd hatte ein Hufeisen verloren.«
    Dann waren sie dicht vor mir!
    Ich wandte mich zu den dreien. Jetzt war es endgültig Zeit, Abschied zu nehmen. Ich umarmte jeden von ihnen, wohl wissend, wie unwahrscheinlich es war, dass ich sie jemals wiedersehen würde.
    Zunge grinste, wie er es
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