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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen
Autoren: Uwe Westfehling
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aus dem man nicht klug wurde.«
    Das scheint in der Familie zu liegen, dachte ich. »Werde ich jemals erfahren, woher ich stamme?«
    »Unsere Familie hat ihren Sitz in der Pfalz, die Herren von Greifenklau. Das ist das Wappen, mit dem ich deinen Brief unterzeichnet habe. Mein Vater war das schwarze Schaf unseres Hauses. Mit seiner unbändigen Art hat er sich schon in jungen Jahren außerhalb des Gesetzes gestellt. Er hat alle Rechte aufgegeben. Meine Mutter und ich blieben im Schoß der Familie zurück … fürs Erste. Lange haben wir nichts von ihm gehört, bis wir erfuhren, er sei in Italien als Haupt einer Schauspieltruppe zu Ansehen gekommen. Aber auch das hat nicht gehalten. Er hat sich in vielen Sätteln versucht und war eine Zeit lang recht vertraut mit den Humanisten, die der Reformation nahe standen. Es hieß auch, er sei ein Alchimist und Hexenmeister.«
    »Im Bauernkrieg wart Ihr zusammen, nicht wahr?«
    »Ja. Bei einem Trupp, der sich vom Öhringer Haufen abgespalten hat. Diese Geschichte scheinst du zu kennen.«
    »Ich kenne auch die Geschichte des Buches.«
    Er nickte unwillig. »Er hat es gewollt. Es hätte seinem Wahn geschmeichelt. Mir wollte er alles andere überlassen, wenn ich ihm half. Aber ich war nicht bereit, die Gefährten von einst zu töten, mochten sie auch Schurken sein.«
    Was das angeht, erzählst du mir möglicherweise nicht alles, dachte ich.
    Er fuhr fort: »Ich hatte ihn verpflichtet, an dem Tag, an dem ich zu dem Schatz vordringen wollte, in seinem Versteck zu bleiben und sich nicht noch einmal einzumischen. Er hat sich nicht daran gehalten. Er hat sich nie an etwas gehalten. Den Rest kennst du …«
    »Ihr seid also ein Ritter.«
    »Ich stamme aus einem ritterlichen Haus. Mit dieser Herrschaft ist es bergab gegangen in den letzten zwanzig Jahren. So ist es vielen ergangen. Große Umwälzungen sind im Gange. Ich wäre derErbe von Titel und Burg gewesen, aber der Titel ist nichts mehr wert und die Burg eine Ruine – seit den Kämpfen in der Pfalz.«
    »Und meine Mutter?«
    »Ich habe sie geheiratet, als unser Name noch einen gewissen Klang hatte. Ihre Familie war bürgerlich, aber reich. Ihr Vater hatte einen Posten am Hof in Brüssel.«
    »Da hat sie den Kaiser kennen gelernt?«
    »Er war noch nicht Kaiser, und es war nur eine Liebelei. Aber das Hofzeremoniell ist streng. Man hat sie getrennt. Es wurde rasch eine Ehe arrangiert.«
    »Und ich bin nicht die Tochter des Kaisers.«
    »Hat sie dir das etwa gesagt?«
    »Nein. Nicht mit diesen Worten …«
    Er fuhr auf und schlug mit der Hand auf die Tischplatte, so dass alle Gäste die Köpfe nach uns drehten. »Verdammt! Hört das denn niemals auf? Du bist meine Tochter!«
    Sein zorniger Blick und der plötzliche Knall erschreckten mich heftiger, als es vernünftig erschien. Vor meinem geistigen Auge stand plötzlich eine andere Szene, die zugleich eng mit dem Duft des Gewürzweins verbunden war.
    »Ihr habt sie geschlagen«, flüsterte ich.
    Sein Zorn war verraucht. »Du erinnerst dich daran?«
    »Jetzt auf einmal …«
    »Du warst höchstens drei Jahre alt. Damals bin ich gegangen. Ich habe es nicht länger ertragen. Sie hat mich nur unter Zwang geheiratet und konnte ihre Trennung von ihm niemals verwinden … Sie hat sich in einen Wahn gesteigert. Sie hat sich selbst etwas vorgemacht. Es war ihr Traum, den sie leben wollte. Das Schlimme ist: Ich habe niemals aufgehört, sie zu lieben!«
     
    Etwas später wanderte ich ziellos durch die Straßen, und meine Gedanken wirbelten im Kreis. Ich hätte heulen mögen. Wie konnte all das wahr sein?
    Vielleicht hilft mir nur ein einziger Weg, dachte ich. Ich musses alles schnellstens vergessen. Jede verdammte Einzelheit davon. Aber gerade das war nicht möglich. Ich wusste es nur allzu genau.
    Ich blieb an der Kirche der Antoniter stehen.
    Ob es mir helfen kann zu beten?, dachte ich. Vater Sebastian hätte es gewiss für das einzig Richtige gehalten.
    Langsam ging ich durch das Portal und trat in einen dämmrigen Raum, in dem es nach Weihrauch duftete.
    Die zahlreichen Kerzen in der Finsternis erschienen mir wie ein Abbild des Lebens. Sie zogen mich unwiderstehlich an. Hinter ihnen erhob sich ein Bild der Madonna. Ob ich überhaupt noch zu ihr sprechen durfte – nach allem, was ich getan hatte?
    »Barmherzige Mutter Maria«, sagte ich leise, »ich bin nicht sehr gut im Beten. Das war ich schon früher nicht, und seit ich nicht mehr bei Vater Sebastian bin, habe ich es kaum noch versucht.
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