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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen
Autoren: Uwe Westfehling
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Gefängnis und dann einen Mann, den andere mir aussuchen – ist es das?«
    »Du …«
    »Ja, ich. Ich . Ich will selbst bestimmen …«
    »Das kann nicht sein! Du bist ein Mädchen!«
    »O ja!« Ich riss mich von ihm los mit einer wilden Bewegung und rannte in den Hof hinaus. Gesattelte Pferde! Alles bereit! Ohne ein einziges Wort!
    Ich sah Sambo und Pietro, die mich mit großen Augen anstarrten.
    »Und ihr«, keuchte ich, »ihr geht mit ihm? Ist das wahr?«
    Pietro sah aus, als müsse er ersticken, und Sambo murmelte tonlos: »Er hat es uns angeboten. Er braucht verlässliche Leute. Was sollen wir tun? Hier leben können wir nicht. Und du, wenn du ins Kloster …«
    »Kloster«, flüsterte ich voller Ekel.
    »Es ist unser Weg.« Das war Rosanna, die neben mich getreten war. Ihre Augen baten um Verständnis. Wie jung sie aussah in ihrer Reisekleidung. So jung wie ich!
    »Euer Weg. Und nicht meiner?«
    »Wenn er es will …«
    » Dich nimmt er also mit?«
    »Das ist etwas anderes, glaube ich.«
    »Ist das dein großer Aufstieg?«
    »So ist das mit mir: Ich bin nicht vernünftig. Und wenn die Leidenschaft kommt, kann ich nichts dagegen tun …«
    Die Erkenntnis meiner Hilflosigkeit überrollte mich wie eine Welle. Zugleich spürte ich die eisige Kälte dieses nebligen Wintermorgens, die mir zuvor gar nicht bewusst geworden war. Sie drang durch das dünne Hausgewand und ließ mich zittern. Aber was war das gegen die Kälte in meinem Innern! Ich wandte mich ab und stolperte ins Haus, an La Lupa vorbei und an Grifone vorbei, ohne ein Wort, ohne zu beachten, dass sich die Mädchen und das ganze Gesinde im Flur drängten, hinauf in meine Kammer, weg von allem, weg von allen , um nur alleine zu sein. Hatte er das wirklich gesagt?
    Es blieb eine Zeit lang still im Haus und im Hof. Dann hörte ich den Huftritt der Pferde, durchs Tor hinaus und kurz darauf in der Gasse. Da ritten sie fort. Aber ich blickte ihnen nicht nach. Ich lag auf dem Bett, haltlos heulend, die geballten Fäuste vor dem Gesicht. Wie lange, weiß ich nicht. Dann überwältigte mich ein Gefühl der Leere und Aussichtslosigkeit, und wie im Traum ging ich nach unten, um meine Sachen zusammenzupacken, das wenige, was ich brauchte. Ich würde gehen. Das war das Einzige, was mir klar war. La Lupa ließ mich eine Weile gewähren, ehe sie zu mir trat und die Hand auf meine Schulter legte.
    »Du solltest nichts übereilen.«
    Ich schüttelte abwesend den Kopf. Sie seufzte und ließ mich los.
    »Da ist etwas für dich«, sagte sie. »Ein Brief …«
    »Von ihm?«
    »Nein. Er ist nicht gut im Briefeschreiben …«
    Nur darin?, dachte ich. Das Blatt, das ich ganz mechanisch entfaltete, trug eine schöne und seltsam geziert wirkende Handschrift. Es war der Magus, der mir die Botschaft sandte. Fast wider Willen begann ich zu lesen. Gedrechselte Sätze über irgendwelche esoterischen Projekte. Was sollte das? Das meiste erreichte mich gar nicht. Was wollte er mir eigentlich mitteilen? Immerhin: Ein Dank stand dort. Immerhin. Und dann folgte ein Passus, der mich doch interessierte:
    Das fabulöse Buch, schrieb er, – du hast dich vielleicht gewundert, dass ich es nicht an mich genommen habe. Nun, es war eine große Enttäuschung. Ein Fragment, jener Kapitel beraubt, um derentwillen alle hinter ihm her gewesen sind! Mit dem Rest dieses Dinges wollte ich nichts weiter zu tun haben. Es brachte nur Unglück. Ich höre, dass es zerstört ist. Das ist wahrscheinlich gut so. Es muss so sein, dass andere Abschriften existieren … Wer weiß? Nach der Kunst, Gold zu machen, wird man jedenfalls weiterhin suchen … Und nun ging es um mich selbst. Dir zu begegnen, hieß es da, hat mir neue Hoffnung gegeben. Es ist mir so, als müssten wir uns noch einmal wiedersehen. Was sollte das? Und dann kam ein Satz, der in mir widerhallte: Gehe unbeirrt deinen eigenen Weg!
    Es war, als ob ich erwachte. Ich blickte auf und sah, dass La Lupa in meiner Nähe geblieben war.
    »Kann er das tun?«, fragte ich leise.
    »Ob Grifone über dich entscheiden kann, meinst du?«
    »Ja.« Genau das war es, was ich meinte.
    »Nur, wenn du es zulässt.«
    »Habt Ihr es zugelassen?«
    »Das ist nicht so einfach. Ja und nein. Aber ich bin nicht du.«
    »Ihr meint …«
    »Was du meinst, darauf kommt es an.«
    »Aber wie könnte ich denn …«
    »Du kannst es … wenn du es willst .«
    Ich schwieg, und wir sahen uns stumm in die Augen.
    »Im Hof steht ein Pferd«, sagte sie. »Es ist bereit. Ich habe es satteln
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