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Im Tal der bittersüßen Träume

Im Tal der bittersüßen Träume

Titel: Im Tal der bittersüßen Träume
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Die Trockenheit war überall. In dem zerrissenen, staubenden morschen Boden, in den kahlen Felsen, den braungrauen, versengten Bäumen und Sträuchern, dem glutenden, erbarmungslosen, strahlendblauen Himmel, in den Hütten, die zu Bratöfen wurden, und in den verzweifelten Herzen.
    Es hatte seit sieben Monaten nicht mehr geregnet.
    In der kleinen erbärmlichen Steinkirche von Santa Magdalena knieten die Menschen und beteten – Gerippe nur noch, in schlotternden Kleidern, Totenschädel unter pergamentener Haut, aus denen groß die Augen glänzten. Gebete wie Staubwolken, tonlos, aus ledernen Gaumen: »Maria, schick uns Regen! Jesus Christus, laß eine Wolke über Santa Magdalena ziehen! Gott im Himmel, laß uns nicht von deiner Sonne verbrennen …«
    Pater Felix Moscia stand hinter dem Altar und überlegte, was er noch sagen sollte. Die Sonne schob sich jeden Morgen mit ungeminderter Glut über die Berge, und wenn sie versank, konnte er nur vor dem Bild des Erlösers knien und fragen: »Herr, ist das Dein Wille? Warum? Warum hast Du solches Elend über diese Menschen geschickt, gerade über diese Menschen? Leiden sie nicht schon genug? Sind sie nicht arm und rechtlos, krank und ausgebeutet, armseliger als ein streunendes Tier und duldsamer als ein blinder Esel? Herr im Himmel, warum diese Strafe für Menschen, die nur einen Besitz noch haben: den Glauben an Dich?«
    Aber es kam keine Antwort … die Sonne stieg, die Sonne versank, und der Himmel blieb unendlich blau und glühend.
    Es gab ein paar Brunnen, natürlich. Aber was sind sechs Brunnen, die achthundertfünfundsiebzig Menschen zu versorgen haben, siebenhunderteinunddreißig Kühe, eine Hammelherde und unzählige Hühner? Ein Brunnen gehörte zur Kirche, aus drei Brunnen trank das Dorf Santa Magdalena, mit einem Brunnen mußte das Hospital ›Henri Dunant‹ auskommen, aber der größte Brunnen, ein tiefer Schacht, der aus dem Bauch der Erde herrliches, klares Wasser sprudeln ließ, gehörte Jack Paddy.
    »Ich habe viel von der Welt gesehen, aber Santa Magdalena muß die irdische Niederlassung des Teufels sein!« Dies sagte der Bischof von Chihuahua, als er Altar, Kirche und die Gemeinde weihte und Pater Felix mit ehrlicher Bewunderung die Hand drückte. »Und Sie meinen, Pater, daß Sie daraus eine Gemeinde Gottes machen können?«
    »Wo Menschen die Hände falten können, ist nichts verloren«, hatte Pater Felix Moscia geantwortet. »Aber mit dem Händefalten allein ist's nicht getan – ich werde den Menschen beibringen, daß sie Menschen sind.«
    Der Bischof verstand das damals nicht richtig. Er begriff es erst, als Jack Paddy bei ihm in der Residenz Chihuahua auftauchte, einen Beutel mit Geld auf den Tisch setzte und sagte: »Exzellenz, Sie kennen mich noch nicht. Das ist auch weiter nicht nötig. Ich stifte Ihnen dreißigtausend Pesos.«
    »Danke, Mr. Paddy«, hatte der Bischof gesagt. »Gott segne Sie.«
    »Mit den dreißigtausend Pesos verbinde ich die Bitte, daß Sie Ihren komischen Pater Felix aus Santa Magdalena abberufen.«
    Der Bischof hatte sich diesen Mr. Paddy genau betrachtet und fand ihn widerlich. Groß, breitschulterig, muskelbepackt, mit kalten graublauen Augen, stand Jack Paddy vor dem Schreibtisch, den kantigen Schädel etwas vorgestreckt, und wartete auf Antwort.
    »Mr. Paddy«, hatte der Bischof dann gesagt, »ich verkaufe Ihnen keinen meiner Priester. Auch nicht für eine Million Pesos.«
    »Ich will den Narren nicht kaufen, er soll gehen!« hatte Paddy geschrien. »Wissen Sie überhaupt, was für ein Priester das ist? Mit der einen Hand segnet er, mit der anderen verteilt er Flugblätter mit sozialistischen Schlagworten. Die vervielfältigt er selber! Ist das Ihre moderne Kirche, Exzellenz? Die Schäfchen zum Altar holen und dort umfunktionieren zu wilden Hunden? Was soll der Blödsinn mit Ausbeuterei, Mitbestimmung, Tariflohn! Ich beschäftige auf meiner Pflanzung vierhundertsechzig Indios. Sie leben gut im Vergleich zu dem, was sie leisten, sie waren zufrieden mit ihrem Leben, bis dieser Flegel Pater Felix auftauchte! Aber man kennt das ja aus der Geschichte: Wo sich die Kirche niederläßt, werden Revolutionen geboren. Fünfzigtausend Pesos, Exzellenz, und Sie stecken Ihren Pater ins Kloster zurück!«
    »Das geht nicht, Mr. Paddy«, hatte der Bischof ruhig geantwortet. »Pater Felix ist eingesetzt vom ›Orden der Dornenkrone Christi‹. Ich bin ein sogenannter weltlicher Priester, habe ein gütiges Auge auf sein Wirken, aber
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