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Im Tal der bittersüßen Träume

Im Tal der bittersüßen Träume

Titel: Im Tal der bittersüßen Träume
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Hände, Amigos, betet und singt und blickt auf Christus. In seine Hände legen wir unser Leben.
    Als das Wasser ihnen bis zur Hüfte reichte, blieb es stehen. Langsam floß es wieder ab. Es mußte irgendwo ein Loch gefunden haben, in das es hineinstürzte. Nach einer Stunde war die Kirche frei, und Jorge Cuelva, der vorn am Altar stand, sagte, als sei er Pater Felix: »Wir sind gerettet. Gott liebt uns.«
    Und alle glaubten es.
    Es regnete neunzehn Tage. Tag und Nacht. Ohne Unterbrechung.
    Ein Meer fiel aus dem Himmel über dieses Stückchen Land, das man die Provinz Chihuahua nennt. Man erklärte es zum Notstandsgebiet, und meinte damit die Stadt, die kleinen Städte, die Dörfer. An Santa Magdalena dachte keiner. Über Santa Magdalena berichteten auch nicht Radio und Fernsehen, keine Reporter, die aus aller Welt nach Mexiko flogen, um zu sehen, wie fotogen eine moderne Sintflut sein kann. Wer kennt Santa Magdalena?
    Als nach neunzehn Tagen der Regen aufhörte und wieder eine Sonne schien, warm und strahlend, an einem wolkenlosen, tiefblauen, unschuldigen Himmel, konnte Pater Felix in seine Kirche zurückkehren. Vor dem Altar lag aufgebahrt Miguel Lagarto. Man hatte ihn im Dorf unter einem zusammengebrochenen Haus gefunden, nicht weit von ihm lagen zwei Cholerakranke. Ins Hospital hatte man die von den Bergstürzen Verwundeten gebracht. Tenabo war von einem abenteuerlichen Erkundungsgang zurückgekehrt und hatte zu Paddy gesagt: »Patron! Wo die Hacienda war, liegt jetzt ein neuer Berg.«
    »Wie soll das werden?« fragte Högli. Er stand mit Pater Felix auf einem Plateau. Unter ihnen lag das zerstörte Dorf: ein Steinhaufen, Geröllberge, eine unbewohnbare Wüste. »Ziehen wir weg und suchen einen neuen Platz für Santa Magdalena?«
    »Dein Hospital hast du gerettet.« Pater Felix faltete die Hände. Er trug eine zerrissene Soutane, das letzte von allen seinen Kleidungsstücken. »Gibst du es auf?«
    »Nein. Ich kann es verlagern.«
    »Und meine Kirche steht. Ich kann sie nicht verlagern!« Pater Felix machte eine weite Handbewegung, die das ganze Tal vor ihm umfaßte. »Es steht geschrieben: Und die Erde war wüst und leer. Was hat der Mensch mit Gottes Hilfe aus ihr gemacht? Riccardo, ich bleibe hier! Ich baue auf!«
    Hinter sich hörten sie einen schweren Atem. Paddy war gekommen und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Es war wieder glühend heiß geworden.
    »Und Sie, Paddy?« fragte Högli. »Gehen Sie zurück in die Staaten?«
    »Was soll ich da?« Paddy zeigte auf das zerstörte Land. »Das wühle ich wieder um, Doktor! Ich bin noch nicht zu alt! Sie bleiben doch auch?«
    »Ja.«
    »Und Sie, Pater?«
    »Natürlich! Sie haben mir doch meinen Christus gerettet, Paddy.«
    »Das wird mir ewig rätselhaft bleiben!« Paddy steckte die Hände in die Tasche. »Ihre Frau, Doktor, ist eine Wucht! Die Indios lassen sich schon jetzt für sie in Streifen schneiden. Verdammt, ich bleibe! Ich schiebe mit Bulldozern meine Felder wieder frei und dann geht's los!«
    »Bravo!« Högli klopfte Paddy auf die breite Schulter. Der verzog das Gesicht, als wolle er lächeln und weinen zugleich. »Wir werden zusammenarbeiten.«
    »Das wäre ein Wunder, für das Sie heilig gesprochen würden!« sagte Paddy sarkastisch. »Was meinen Sie, Pfaffe?«
    »Nichts!« Pater Felix faltete die Hände vor der Brust. »Ich habe nur eine Frage: Was werden Sie anbauen, Paddy?«
    »Kakteen!« sagte Paddy mit einer Stimme wie eine Trompete. »Peyotl!«
    Die Menschen ändern sich nie, nur der Himmel läßt regnen oder die Sonne scheinen, damit sie leben.
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