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Im Tal der bittersüßen Träume

Im Tal der bittersüßen Träume

Titel: Im Tal der bittersüßen Träume
Autoren: Heinz G. Konsalik
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keine Befehlsgewalt.«
    »Und wo sitzen diese Jünger von der Dornenkrone?« brüllte Paddy.
    »Ihr General wohnt in Rom.«
    »Damit wir uns richtig verstehen …« Paddy hatte den Sack mit den dreißigtausend Pesos wieder an sich genommen: »Santa Magdalena ist mein Dorf! Wenn Pater Felix seine Dornenkrone durchaus haben will – er kann sie bei mir bekommen!«
    Nach diesem Besuch, vor zwei Jahren, hatte sich der Bischof diskret erkundigt, was jener Pater eigentlich so trieb. Und dabei erfuhr er etwas, was ihn entsetzte, was er aber nicht verwerten konnte, weil es ihm ein Indio unter dem Siegel des Beichtgeheimnisses gesagt hatte: Die Pflanzung des Amerikaners Jack Paddy bestand nur für gelegentliche Besucher aus künstlich bewässerten Baumwollfeldern und einigen Kaffeeplantagen. Dort aber, wo kein anderer hinkam als die bei Paddy unter Vertrag stehenden Indios, in den Seitentälern und auf den einsamen Hochebenen, erstreckten sich Felder mit Paddys ungeheurem Reichtum: Hanf. Hanf für die Herstellung von Marihuana. Und wo es ganz einsam wurde und so glühend, daß selbst die Indios wie auf einer Pfanne schmorten, wuchsen kleine runde Kakteen, halbkugeligen Rettichen gleich, krautlos, häßlich: Peyotl. Der Rausch-Kaktus, das Gewächs der Hölle, aus dem man das Mescal destilliert, ein Rauschgift, das wilde Halluzinationen hervorruft.
    »Herr im Himmel«, hatte der Bischof damals gesagt. »Hier muß etwas getan werden. Wir haben die Hölle direkt vor der Nase – und keiner kümmert sich darum!«
    Kam daher die Trockenheit? Ließ Gott es deshalb sieben Monate nicht regnen? Wollte er die Privathölle des Jack Paddy austrocknen?
    Auch Pater Felix wagte nicht, darauf eine Antwort zu geben.
    Er verteilte an die Indios so viel von seinem Wasser, wie es der Brunnen zuließ. Aber es wurde immer weniger. Aus dem Boden sickerte es nur noch langsam nach; die Glut der unbarmherzigen Sonne schien die Erde zu spalten und bis in die Tiefe zu dringen.
    Jack Paddy hatte seinen Kampf gegen Pater Felix damit begonnen, daß er jedem Indio, der die Kirche nicht mehr betrat, pro Stunde einen Zuschlag von zwanzig Centavos anbot. Das war erbärmlich, aber für einen Indio, der auf Paddys Hanf- und Peyotl-Feldern schuftete, war es, auf eine Woche zusammengezählt, ein Vermögen.
    Die Kirche leerte sich wirklich. An den Sonntagen predigte Pater Felix vor fast leeren Bänken. Nur die ganz Alten, die Invaliden, die Mütterchen, die nicht mehr von Paddy abhängig waren, hockten herum, und auch sie hatten Ponchos über die Köpfe gezogen, damit man sie nicht erkannte. Denn an der Kirchentür stand Antonio Tenabo.
    Tenabo war eine Kreatur, ein treffenderes Wort gibt es nicht. Ein dicker, breiter, hirnloser, muskulöser, von keinen Skrupeln belasteter Knecht seines Herrn. Grinsend, mit wulstigen Lippen, stand er vor der Kirche und gab jedem, der herauskam, einen Tritt in den Hintern. Die alten Leute fielen in den Staub, erhoben sich stumm und trotteten zu ihren ärmlichen Häusern aus groben Felssteinen. Pater Felix konnte nichts dagegen tun. Ein Zweikampf mit dem gewaltigen Tenabo wäre sinnlos gewesen.
    Die Kirche aber war nicht die einzige Sorge Jack Paddys. Es gab noch eine andere Institution, zwar außerhalb Santa Magdalenas, aber doch zur Gemeinde gehörend, die ihn jedesmal, wenn er daran vorbeiritt, wütend aufbrausen ließ: ein Hospital.
    Daß jemand hier, in der schäbigsten und dreckigsten Ecke Mexikos, ein Krankenhaus baute, war schon unvernünftig genug. Paddy hatte zuerst nicht begriffen, was die Leute, die da auf staatlichem Boden ausschachteten und Mauern hochzogen, eigentlich wollten und woher denn die Patienten kommen sollten. Aber dann, als das Hospital fertig war, kamen von allen Seiten soviel Indios aus den Bergen und aus den wüsten Hochebenen, daß Paddy mit dem großen Fluchen begann.
    Er wartete ab. Was taten die Schwarmgeister da drüben im Hospital? Wurden sie ihm gefährlich? Versorgten sie die Regierung mit Berichten über die Hanffelder und die Peyotl-Plantagen? Wie verhielten sich die Indios, die nicht von ihm abhängig waren, weil sie nicht bei ihm arbeiteten?
    Nichts geschah, bis zu dem Augenblick, da die mexikanische Mannschaft das Hospital verließ und ein neues Schild über die Einfahrt montiert wurde: ›Hospital Henri Dunant‹.
    Zwei Tage später traf der neue Arzt ein. Dr. Richard Högli, ein Schweizer aus St. Gallen. Er machte vier Tage später seinen Antrittsbesuch bei Mr. Paddy, so wie es sich für
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