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Im Tal der bittersüßen Träume

Im Tal der bittersüßen Träume

Titel: Im Tal der bittersüßen Träume
Autoren: Heinz G. Konsalik
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weiß, was es ist«, sagte Pater Felix. »Sie haben es mir gebeichtet. Verdammt ja, es ist ein Beichtgeheimnis – aber Arzt und Priester sollten zusammenhalten.« Er holte aus der Tasche seiner langen weißen Soutane ein paar dünne Scheibchen getrockneter Kakteen hervor und warf sie vor Dr. Högli auf den Tisch. »Eine neue Teufelei von Paddy. Er läßt an alle Arbeiter, die noch für ihn schuften, jeden Tag fünf dieser Scheiben verteilen. Die Indios kauen sie, und plötzlich ist die Welt für sie ein Paradies, sie schwelgen im Glück, haben keinen Durst mehr, baden sich in riesigen Seen. Die Luft ist voll Duft, als strömten Millionen Blüten ihre Süße aus; auf den Feldern wachsen schillernde Edelsteine an gläsernen Sträuchern, aus der Sonne tropft das Licht wie Honig …«
    »Peyotl«, sagte Dr. Högli dumpf.
    »Ja. Aus dem chlorophyllhaltigen Mittelstück der Kaktee werden Scheiben geschnitten, getrocknet und dann verteilt. Das macht man seit Jahrhunderten. Man nennt sie Mescal buttons. Paddys teuflischer Plan ist, seine Indios dadurch von ihm abhängig zu machen. Früher kauten sie die Mescal buttons aus Vergnügen, um einen billigen Rausch zu haben, denn Alkohol ist teuer. Paddy aber teilt ihnen so große Mengen zu, daß sie wie in einem Wahn leben, von Halluzinationen erfüllt werden, den Durst nicht mehr spüren, bis zum Umfallen arbeiten und sich mit Begeisterung und umnebeltem Gehirn kaputt machen.«
    »Wir müssen die Indios über die Folgen aufklären, Pater«, sagte Dr. Högli und sprang auf. Pater Felix hielt ihn an seinem Arztkittel fest.
    »Worte sind jetzt völlig unnütz. Ich habe alles Nötige schon von der Kanzel gesagt – es war umsonst. Wenn das Wort von der Kanzel nichts mehr ausrichtet, was wollen Sie dann noch mit Ihren Erklärungen? Paddy nimmt den Indios den Durst – ohne Wasser! Daß sie zu Wracks werden, kümmert sie nicht. Sie leben für den heutigen Tag, nicht für die Zukunft wie wir. Und heute sind sie satt und ohne Durst.«
    »Ich werde ihnen etwas demonstrieren.« Dr. Högli trat an das Fenster. Die Schlange der wartenden Indios war kleiner geworden. Juan-Christo in der Ambulanz war ein fleißiger Arbeiter. »Ich werde durchs Dorf gehen und mir einen herausholen, der schon ein Meskalin-Wrack ist. Und den führe ich ihnen vor.«
    »Und?« Pater Felix lächelte mühsam. »Sie kennen ihn doch, Doktor. Er lebt doch mitten unter ihnen. Diese Menschen haben sich in einen Fatalismus geflüchtet, der schon einem Scheintod gleicht. Wir müssen an die Basis.«
    »Paddy?«
    »Ja!«
    »Wie denn? Er läßt uns hinausprügeln – wenn er uns überhaupt empfängt.«
    »Sie sollten der Regierung melden, daß auf Paddys Bergfeldern Rauschgifte angebaut werden.«
    »Mein lieber Pater Felix«, sagte Dr. Högli. Sein jungenhaftes Gesicht schien plötzlich gealtert. »Ich habe vier Berichte an den Polizeikommandanten von Nonoava, der zuständig ist, geschickt. Señor Mendoza Femola hat nicht einmal geantwortet.«
    »Die Regierung in Chihuahua?«
    »Zwei Schreiben.« Dr. Högli zeigte auf die Briefordner im Regal. »Dort können Sie die Antwort lesen, wenn Sie sich die Mühe machen wollen, die Briefe herauszusuchen! Weitergegeben an den zuständigen Polizeikommandanten von Nonoava. Er hat jetzt sechs Berichte da, dieser Femola. Anscheinend stopft er damit sein Kopfkissen.«
    »Dann helfen wir uns selbst, Doktor. Gott hat gesagt: Tue kein Leid, aber verhindere jedes Leid! – Über die Waffen, mit denen man Leid verhindern kann, steht allerdings nichts in der Bibel!«
    »Wollen Sie Paddy erschlagen, Pater? Das wäre der einzige Weg.«
    »Warum verstehen die Menschen unter Revolution immer nur Blut und Tod?«
    »Nennen Sie mir eine Revolution, die unblutig war! Sogar die Reformation hat Millionen Tote gekostet – und es hört nicht auf!«
    »Ich will nur, daß sich die Indios auf ihre Menschenwürde besinnen!« rief Pater Felix. »Helfen Sie mir dabei?«
    »Gern. Aber vergessen Sie nicht: Ich bin Arzt! Ich rette Leben, ich opfere keine!«
    »Wie sieht es mit Ihren Wasservorräten aus?«
    »Mies! Der Hospitalbrunnen sickert so dahin. Tageweise ist nur noch der Boden bedeckt. Es reicht kaum für die Stationären.«
    »Und Paddy läßt seine Blumen besprengen und hält seine künstlichen Bäche in Betrieb!«
    »Ich weiß. Gestern hat er demonstrativ seinen Springbrunnen angestellt. Der Strahl zischte bis über die Mauer. Die Indios standen draußen, starrten das in der Sonne sprühende Wasser an, und
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