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Im Tal der bittersüßen Träume

Im Tal der bittersüßen Träume

Titel: Im Tal der bittersüßen Träume
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Rasensprenger, plätscherten die künstlichen Bäche, blühten Sträucher und Blumen in geradezu satanischer Pracht.
    »Es gibt Wasser«, sagte Jack Paddy, als eine Abordnung der Indios von Santa Magdalena bei ihm erschien und beim Anblick des im Garten wegfließenden Wassers fast in die Knie sank. »Zehn Liter für jedes schöne Mädchen, das ihr mir bringt. Sie nimmt es am nächsten Morgen mit, wenn ich sie wieder gehen lasse!«
    Die Abordnung der Indios verschwand lautlos hinter dem zuklappenden Tor. Ihre Töchter! Ihre stolzen Töchter für zehn Liter Wasser!
    Man ließ sich ausbeuten, man arbeitete für den Americano bis zum Umfallen, man nahm seine Pesos, man duldete alles, sogar die Peitschenhiebe Tenabos, man kroch vor ihm im Staub, denn er war hier der Herr, und keiner war über ihm. Wer von den Behörden kümmerte sich denn um die Indios von Santa Magdalena, wo blieb der Gouverneur von Chihuahua, was tat der Polizeichef Mendoza Femola in Nonoava? Nein, niemand kümmerte sich um sie – und so hatten sie gelernt, auch die schlimmsten Demütigungen zu ertragen.
    Aber die Töchter hergeben für zehn Liter Wasser? Hermanos, Amigos, dann laßt uns verdorren, wie unsere Bäume, unser Vieh, unser Land!
    Sieben Monate Sonne …
    »Die Lage spitzt sich gefährlich zu«, sagte Pater Felix. »Wir müssen etwas unternehmen, sonst entgleiten uns diese Menschen.«
    Pater Felix war mit seinem alten, klapperigen Jeep, den er sich von Spenden aus einer Aktion ›Priesterhilfe in Mexiko‹ hatte kaufen dürfen, zum ›Hospital Henri Dunant‹ gefahren. Nun saß er in dem von drei Ventilatoren kaum gekühlten Sprechzimmer Dr. Höglis und trank heißen Tee, das beste Mittel gegen die grauenhafte Hitze. Eine Klimaanlage gab es im Hospital nicht, dazu hatten die Mittel der Schweizer Stiftung nicht gereicht. Man war froh, daß der ärztliche Versorgungsdienst aufrechterhalten werden konnte, daß es einen halbwegs funktionsfähigen OP-Saal gab, saubere Betten mit weißer Bettwäsche und eine gut gefüllte Apotheke. Das war gar nicht so selbstverständlich, denn der Weg nach Santa Magdalena ist weit … Ob man von Mexico City herüberkommt, von El Paso an der amerikanischen Grenze oder sogar aus der nähergelegenen Hauptstadt Chihuahua – immer verschwinden auf diesem Weg Kartons und Kisten, Säcke und Konserven, und keiner weiß, wo sie geblieben sind. Man muß sich in Mexiko an das Wunder gewöhnen, daß Dinge sich plötzlich in Nichts auflösen.
    Dr. Högli blickte hinaus auf den staubigen Vorplatz des Hospitals. Dort wartete wieder, unter notdürftigen Sonnendächern aus Balken und Blättergeflechten, eine lange Reihe Indios; geduldig hockten sie auf der Erde, in ihre Ponchos eingewickelt trotz der glühenden Hitze, die runden schwarzen oder dunkelgrünen Hüte ins Gesicht gezogen. Menschen, für die es keine Zeit mehr zu geben schien.
    In der Ambulanz, wie man den großen Raum nannte, in dem fünf Kranke gleichzeitig behandelt wurden, ihre Spritzen, ihre Tabletten, ihre Verbände bekamen, arbeitete der Krankenpfleger Juan-Christo Ximbarro, ein Mestize, der die Krankenpflegerschule in Chihuahua besucht hatte und mehrere indianische Dialekte sprach. Ohne ihn wäre Dr. Högli im ersten Jahr seiner Tätigkeit völlig hilflos gewesen. Als man ihm die ärmlichen Baracken übergab, waren die mexikanischen Ärzte schon weggefahren, keiner war da, der ihn in seine Arbeit hätte einweisen können, alles sah wie nach einer Flucht aus. Flucht vor dieser Einsamkeit, vor diesem schrecklichen Land, vielleicht auch eine Flucht vor Jack Paddy?
    Juan-Christo war ein junger Mann von siebenundzwanzig Jahren mit dem schönen Gesicht der Mischlinge, lackschwarzen Haaren und einer Haut, die in der Sonne wie Bronze glänzte. Er war der einzige, der einen Zusammenstoß mit Antonio Tenabo riskiert hatte, obwohl er nur mittelgroß war. Aber er kannte einige indianische Tricks, war klug und scharfäugig, schnell wie ein Wiesel, und warf Tenabo, der ihn mit der Faust schlagen wollte, mit einem blitzschnellen Schwung so hart auf den steinigen, aufstäubenden Boden, daß Tenabo Mühe hatte, aufzustehen, zu seinem Pferd zu wanken und fortzureiten.
    Von diesem Tag an war Juan-Christo so etwas wie der Boß der Indios. Paddy erkannte es sofort. »Er ist ein unfallgefährdeter Idiot!« sagte er zu Tenabo. »Es wird sich machen lassen, daß er irgendwann verunglückt.«
    »Etwas fällt mir auf«, sagte Dr. Högli. »Die Indios haben sich verändert.«
    »Ich
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