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Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Titel: Tante Dimity und der unheimliche Sturm
Autoren: Nancy Atherton
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geschützt, dass ich selbst aus der Nähe nicht zu sagen vermochte, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte. Nur die Nasenspitze war zwischen dem Brillensteg und der Kapuzenmütze zu sehen. Die Nase war fast ebenso rot wie der Rucksack.
    »Hi«, sagte ich betont munter, während ich den Kreuzgang betrat. »Schönes Wetter heute, nicht wahr?«
    »Ja, sehr schön«, sagte der Rucksackträger mit gedämpfter Stimme, sodass ich noch immer nicht sagen konnte, ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelte. »Wohnen Sie hier?«
    »Nein«, sagte ich, »allerdings hatte ich gehofft, dass Sie hier wohnen.«
    »Nein.« Der Wanderer ging zum rückwärtigen Teil des Gebäudes. »Ich wollte gerade nachsehen, ob ich einen zweiten Eingang finde.«
    »Haben Sie es schon an der Vordertür versucht?«
    »Niemand hat geantwortet«, sagte der Wanderer. »Kommen Sie.«
    »Also gut.« Während mein Leidensgefährte einen Pfad durch den Schnee für mich pflügte, fragte ich mich flüchtig, wie er zu dem vorderen Eingang gelangt war, ohne Spuren auf der jungfräulichen Schneedecke auf der Treppe zu hinterlassen.
    Der Kreuzgang mündete auf einem gepflasterten Hof, der von mehreren Nebengebäuden gesäumt war, die zusehends unter dem immer dichter werdenden Schneegestöber zu versinken schienen. Der Rucksackträger ließ die Nebengebäude links liegen und steuerte geradewegs auf eine einfache Holztür zu, die zum Haupthaus gehörte und auf den Hof hinausging. Als wir die Tür erreicht hatten, ergriff ich hoffnungsvoll die Klinke, doch sie ließ sich nicht bewegen.
    »Abgeschlossen«, murmelte ich.
    »Warten Sie, wir werden das Problem schon lösen.«
    Ich trat etwas zurück und beobachtete mit wachsendem Erstaunen, wie er oder sie ein kurzes, handliches Stemmeisen aus einer Seitentasche des flammend roten Rucksacks hervorzog und die Spitze in den Spalt zwischen Tür und Türpfosten stemmte.
    »Was machen Sie denn da?«, fragte ich verblüfft. »Sie werden die Tür beschädigen, nicht wahr?«
    »Ziehen Sie es vor, hier draußen zu erfrieren?«, erwiderte mein furchtloser Wandergefährte.
    »A-aber … was ist, wenn doch jemand zu Hause ist?«, stammelte ich.
    »Dann werden wir den Hausherrn raten, das nächste Mal besser die Tür zu öffnen, wenn jemand anklopft.« Mit einem Knirschen, das mir in den Ohren wehtat, gab das Schloss der hölzernen Tür nach, und der Rucksackträger schlüpfte hinein.

    Ich warf einen Blick über die Schulter – so als fürchtete ich, dass jeden Moment ein Constable aus dem Schneegestöber hervortreten könnte, um uns wegen Einbruchs festzunehmen – ermahnte mich dann, nicht ein solcher Feigling zu sein, und trat ebenfalls über die Türschwelle. Falls ich mich doch vor Gericht wiederfände, so sinnierte ich, dann würde es meinem Mann sicherlich gelingen, mildernde Umstände geltend zu machen.
    Nachdem ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, hielt ich kurz inne, um das Gefühl zu genießen, durch solides Eichenholz vom beißenden Wind geschützt zu sein. Als ich jedoch versuchte, mein Gesicht von den Eiskristallen zu befreien, merkte ich, dass ich meinen Atem sehen konnte.
    Der gegenwärtige Besitzer von Ladythorne Abbey verschwendete kein Geld für unnützes Heizen.
    Nicht dass ich ihm einen Vorwurf gemacht hätte; es musste ein Vermögen kosten, um den Raum zu heizen, in den wir soeben eingedrungen waren. Es war eine Küche, eine riesige Küche mit einer Gewölbedecke, sechs Fenstern mit gotischen Spitzbögen, einem polierten, schwarz-weiß gefliesten Flur; an jeder Wand war eine Tür, die zu angrenzenden Räumen führen musste.
    Unter einem der Fenster thronte ein großer Steintrog auf Ziegelsteinen, an dessen einem Ende eine steinerne Abflussrinne angebracht war und am anderen ein hölzernes Abtropfgestell für Geschirr. Dazwischen ragte ein Paar antiker Porzellanhähne aus der Wand, das an einem Geflecht aus kupfernen Leitungen angeschlossen war. Ich probierte aus, ob die Hähne funktionierten, und atmete erleichtert aus, als Wasser in das Becken rann – zwar nur kaltes Wasser, aber fließendes kaltes Wasser war besser als gar kein Wasser.
    Zwei ausladende Anrichten standen einander an zwei Wänden gegenüber, die eine war weiß lackiert und mit Geschirr beladen, die andere war braun, und gehämmerte Kupfertöpfe und - pfannen sowie eine Reihe verschiedener Kochutensilien stapelten sich in ihren Regalen. Ein schwerer Eichentisch, der vom jahrelangen Gebrauch zerfurcht war, nahm die Mitte
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