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Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Titel: Tante Dimity und der unheimliche Sturm
Autoren: Nancy Atherton
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    DIE WEIHNACHTSZEIT BRACHTE mich bei nahe um. Während mein kluger Mann, ein Rechtsanwalt, die Arbeit als Entschuldigung dafür nutzte, allen gesellschaftlichen Verpflichtungen, bis auf den allerwichtigsten, aus dem Weg zu gehen, stürzte ich mich kopflos wie ein Lemming von der Klippe in die vorweihnachtlichen Aktivitäten.
    In unserem honigfarbenen Cottage verbarrikadierte Bill sich hinter meterhohen Aktenstapeln. Währenddessen stellte ich mich bereitwillig jedem Komitee zur Verfügung und ließ keine Party in Finch und Umgebung aus, dem kleinen englischen Dorf, das wir seit nunmehr sechs Jahren als unser Zuhause betrachteten. Ich schmückte die St.-George’s-Kirche mit immergrünen Zweigen, trällerte Weihnachtslieder auf nichts ahnenden Türschwellen, entwarf und realisierte das Bühnenbild für das Krippenspiel, bereitete unsere vier Jahre alten Zwillingsjungen auf ihr Debüt als singende Schäfer vor, backte so viele Angel Cookies, dass die Menge ausgereicht hätte, ein ausgewachsenes Rentier damit auszustopfen, und gab ungefähr genauso viele Partys –
    sowohl für Kinder als auch Erwachsene –, wie ich Einladungen wahrnahm.
    Selbst im Januar, als die Weihnachtszeit vor über war und wir nach Boston zu unserem alljährlichen Besuch bei Bills Familie flogen, gelang es mir nicht, all das Lametta aus meinem Haar zu schütteln, das sich in der Weihnachtszeit darin verfangen hatte. Während Bill seine Tage damit verbrachte, gemütlich mit seinem entzückenden Vater vor dem Kamin zu sitzen und zu plaudern, packte ich die Zwillinge ein und ging mit ihnen rodeln, Schlittschuh laufen oder Schlitten fahren.
    Und um das Maß meiner Verrücktheit vollzumachen, überredete ich Bill zu sentimentalen Unternehmungen, etwa zu Stippvisiten bei alten Freunden, oder dazu, jeden Abend in einem anderen unserer ehemals bevorzugten Lieblingsrestaurants essen zu gehen.
    Als wir Mitte Februar wieder in unser Cottage in England zurückkehrten, war ich eine schlaffe Hülle meines früheren fröhlichen Selbst. Sobald meine Söhne ein Liedchen anstimmten, zuckte ich zusammen, und beim Gedanken, noch ein weiteres Angel Cookie zu knabbern, schnürte es mir den Magen zu. Nur mit Mühe raffte ich mich dazu auf, die Weihnachtsdekoration abzunehmen, und das auch nur, weil mir allein schon bei ihrem Anblick der Kopf zu dröhnen begann.
    Kurz und gut, ich hatte mit den Nachwirkungen eines gehörigen Weihnachtsrauschs zu kämpfen, in den ich mich höchst freiwillig gestürzt hatte.
    Emma Harris stellte auf Anhieb die richtige Diagnose. Als meine nächste Nachbarin und liebste Freundin in England hatte sie alles längst kommen sehen, und als sie mich apathisch auf der Bambus-Chaiselongue unter dem Apfelbaum im rückwärtigen Teil des Gartens liegend antraf, wusste sie ganz genau, was passiert war.
    Auch wenn es zunächst den Anschein hatte, ruhte ich mich nicht einfach nur aus. Weil Bill in seinem Büro in Finch war, um den Papierberg abzubauen, der sich dort angesammelt hatte, und Annelise, unser unersetzliches Kindermädchen, den Nachmittag bei ihrer Mutter auf dem Bauernhof ihrer Familie verbrachte, hatte ich mich in den Garten zurückgezogen, um ein verschlafenes Auge auf Will und Rob zu haben, die eifrig dabei waren, Autobahnen in den gemulchten Gemüsegarten zu graben.
    Ich war zwar nicht auf Besuch vorbereitet, aber ich freute mich immer, Emma zu sehen. Sie hatte einen Spaziergang von ihrem restaurierten Herrenhaus unternommen, um mich zu Hause willkommen zu heißen und mich auf den neuesten Stand zu bringen, was die Geschehnisse im Dorf anbelangte. Als sie Will und Rob einen fröhlichen Gruß zurief und sich in den Liegestuhl mir gegenüber fallen ließ, kam ich nicht umhin, sie um ihre Vitalität zu beneiden. Es war ein grandioser Tag, ungewöhnlich warm und sonnig für die Jahreszeit, und dennoch konnte ich kaum die Energie aufbringen, um ihren Besuch zu würdigen.
    Emma unterzog mich einer kritischen Betrachtung, ehe sie bemerkte: »Du hast das YuleHolzscheit an beiden Enden abgebrannt. Wieder einmal .«
    Ich ließ den Kopf hängen, wohl wissend, was als Nächstes kommen würde.
    »Was ist aus dem einfachen Weihnachtsfest im Kreis der Familie geworden, von dem du so geschwärmt hattest?«, fragte sie prompt. »Was ist aus deinem Vorhaben geworden, zu Hause zu bleiben und Angel Cookies zu backen …?«
    »Bitte kein Wort mehr von Angel Cookies«, murmelte ich, als ich spürte, dass mein Magen wieder rebellierte.
    »… und
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