Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Titel: Tante Dimity und der unheimliche Sturm
Autoren: Nancy Atherton
Vom Netzwerk:
erschöpft und äußerst verärgert, rollte ich auf die Knie und stellte fest, dass ich nur um Armeslänge entfernt von einem imposanten, efeuüberwucherten steinernen Torpfosten gelandet war. Zusammen mit dem gegenüberliegenden Pfosten bildete er ein Paar, welches eine schmale Straße einrahmte. Als ich mich aufrappelte, fuhr der Wind in das Efeu, und durch eine Lücke in dem rankenden Grün erkannte ich ein dunkles Quadrat, das sich gegen den blassen Cotswold-Stein des Pfostens abhob.
    Ich machte einen Schritt vorwärts, schob das zitternde Efeu beiseite und sah ein bronzenes Schild, auf dem zwei Worte standen.
    »Ladythorne Abbey«, flüsterte ich und dankte meinem Schutzengel.
    Diese Worte hatte ich zuvor schon auf Emmas Karte gelesen. Dort waren sie in winzigen Buchstaben gedruckt, ein Hinweis darauf, dass Ladythorne Abbey nichts weiter als eine verlassene Ruine war. Aber auch wenn es sich nur um eine Ruine handelte, würde sie wenigstens etwas Schutz vor dem Sturm bieten. Und, was noch wichtiger war, würde ich Bill wenigstens einen Anhaltspunkt liefern können, wo ich mich befand. Ich könnte Bill anrufen und ihm sagen, wo ich war.
    Bestärkt durch die Vision von meinem edlen Mann, der auf unserem kanariengelben Range Rover angeritten kam, um mich zu retten, beugte ich den Kopf, um dem Wind zu trotzen, und ging die Allee hinauf, die zu Ladythorne Abbey führte.

3
    Es DAUERTE NICHT lange, bis ich das Ende der kleinen Straße erreicht hatte, die schnurstracks geradeaus lief und zu beiden Seiten von hohen Borden begrenzt war. Außerdem half der beißende Wind nach, der mich am Rücken schob wie die Hand eines Riesen, so als könnte er es nicht erwarten, mich loszuwerden. Nichtsdestotrotz reichte mir der Schnee bis zu den Schienbeinen, als ich endlich die geisterhafte Silhouette eines Gebäudes direkt vor mir aufragen sah.
    Ladythorne Abbey schien keineswegs eine Ruine zu sein. Während ich mich vorwärts kämpfte, nahm ich durch einen Schleier von Schnee ein langes, niedriges Gebäude aus blassem grauem Stein wahr, das in mehrere seltsam anmutende Trakte unterteilt war. Es hatte Sprossenfenster, und die Dächer verliefen in unterschiedlichen Winkeln zueinander. Ein schlanker Glockenturm überragte eines der Gebäude, vor einem anderen sah ich einen Kreuzgang und in der Mitte eine ausladende Treppe, die zu einem Eingang hinaufführte, der von einem gotischen Spitzbogen eingerahmt wurde. Die Treppe war von einer unberührten Schneedecke überzogen.
    Die Abtei sah aus, als wäre sie über mehrere Jahrhunderte hinweg erbaut worden, als wären je nach Laune der jeweiligen Epoche immer wieder neue Bestandteile hinzugefügt worden, statt dem Diktat eines einzigen großen Bauplans zu folgen. Ich nahm an, dass es sich um eines der Klöster handelte, die unter Heinrich VIII. konfisziert und im 16. Jahrhundert einem anderen Lehnsherrn übereignet worden waren. Im Geiste malte ich mir aus, wie die Mönche im Kreuzgang des mittelalterlichen Klosters meditierend ihre Runden drehten. Wenn es nicht so kalt und unwirtlich gewesen wäre, hätte ich gern einen mü ßigen Rundgang gemacht, um alle Nischen und Ecken zu erkunden.
    Aber mir war schrecklich kalt, und meine Kleider waren durchnässt, und jede Minute ließ mir meinen Zustand unerträglicher erscheinen, also entschied ich, den müßigen Rundgang auf ein anderes Mal zu verschieben und mich stattdessen darauf zu konzentrieren, wie ich am besten in das Gebäude gelangte, um dem Sturm zu entkommen. Ich stolperte auf die schneebedeckte Treppe zu, als ich etwas Rotes im Kreuzgang aufblitzen sah. Es war der erste Farbfleck, den ich seit Beginn des Schneesturms entdeckte – und er bewegte sich.
    »Hey!«, rief ich und stapfte in Richtung Kreuzgang. »Hey! Warten Sie bitte.«
    Der rote Fleck blieb stehen. Als ich näher kam, erkannte ich eine formlose Gestalt, die einen großen Rucksack auf dem Rücken trug. Er bestand aus einem leuchtenden roten Material, dessen Rand von einem ungewöhnlichen Muster aus schwarzen Flammen eingerahmt war. Das unheimlich anmutende Muster des Materials schien mir eher für das Outfit eines Mountainbikers als für die Ausrüstung eines Wanderers angetan zu sein, doch der Rest der Aufmachung war dann doch wieder ganz gewöhnlich: schwere Wanderstiefel, ein unförmiger grauer Parka, eine weite, wasserabweisende Hose, eine schwarze Kapuzenmütze und eine an den Augenwinkeln geschlossene Sonnenbrille. Der Wanderer war so gut gegen Wind und Wetter
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher