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Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Titel: Tante Dimity und der unheimliche Sturm
Autoren: Nancy Atherton
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Raumfahrtspezialistin?«
    »Ja«, erwiderte sie.
    Ich musterte ihr offenes Gesicht und beschloss, dass sie die Wahrheit sagte.

    »Ich arbeite für ein Unternehmen, das Satelliten überwacht, die sich auf der Erdumlaufbahn befinden«, fügte sie mit dem Anflug eines Lä chelns hinzu.
    »Nun, das erklärt, warum Sie es mit einem vorsintflutlichen Kohleherd aufnehmen können.«
    Ich fuhr mit den Fingern durch meine von der Zipfelmütze flach gedrückten Locken. »Gibt es im Februar in der Satellitenbranche besonders wenig zu tun? Ich kann mir sonst nicht vorstellen, warum man zu dieser Jahreszeit zu einer Fernwanderung in England aufbrechen sollte.«
    »Es ist die perfekte Jahreszeit zum Wandern«, gab Wendy zurück. »Die Flugtickets und Hotels sind jetzt spottbillig, und die Wege sind menschenleer. Ich mag es, wenn ich Geld sparen kann, und ich mag es, wenn ich die Wege für mich allein habe.«
    Ich sah sie neugierig an. »Übernachten Sie in Hotels oder Gasthöfen?«
    »Bisher schon. Wie ich sagte, sind die Zimmer derzeit sehr günstig.«
    Ich war versucht zu fragen, warum sie, wenn sie in Hotels übernachtete, Holz zerteilen musste, als der Wasserkessel einen hohen Pfeifton von sich gab und wir uns an die überaus dringende Aufgabe machten, uns eine Kanne lebensrettenden Tees aufzubrühen. Gerade als ich die dampfende Teekanne auf den Tisch gestellt hatte, flog krachend die Tür zum Hof auf.
    »Was zum …«, begann ich, verstummte aber, als ich einen weiteren Wanderer mit Rucksack erblickte, der in die Küche marschierte, gefolgt von einem alten Mann mit einer Schrotflinte im Anschlag.
    » Diebe !«, brüllte der alte Mann, um dann die Schrotflinte geradewegs auf mich zu richten.

4
    MEIN HERZSCHLAG SETZTE für einen Moment aus. Mir wurde schwarz vor Augen. Obwohl meine Füße inzwischen aufgetaut waren, stand ich wie festgefroren da. Nie zuvor hatte jemand ein Gewehr auf mich gerichtet. Es war eine neuartige Erfahrung, die ich nicht so schnell wiederholen wollte.
    »Oh …«, stammelte ich bibbernd, ehe ich wieder in verblüfftes Schweigen verfiel.
    Wendys Nerven hingegen schienen aus rostfreiem Stahl zu sein. »Würden Sie dieses Ding da gefälligst woanders hinhalten?«, fragte sie in aller Ruhe den Eindringling. »Und bitte machen Sie die Tür zu. Sie lassen die ganze Wärme entweichen.«
    »Hören Sie auf, mir Anweisungen zu erteilen, Fräuleinchen«, brummte der alte Mann und starrte uns mit wilden Augen an. Er musste mindestens siebzig sein, war unrasiert, gekleidet in abgewetzte Nagelstiefel, ein halbes Dutzend wollener Schals und eine abgerissene Segeltuchjacke, die jeder Wohlfahrtsladen mit nur einem Funken Selbstwertgefühl zurückgewiesen hätte. Die Schrotflinte hingegen machte einen makellosen Eindruck.
    »Sie hat ›bitte‹ gesagt«, meldete sich sein Gefangener zu Wort. »Zwei Mal.«
    »Und Sie halten den Mund«, bellte der Mann, trat aber gegen die Tür, die krachend ins Schloss fiel. Dann schwang er die Schrotflinte von mir weg und in ihre ursprüngliche Position, um seine Geisel weiter in den Raum hineinzustoßen.
    Die Geisel trug verblichene Jeans, einen blauen Parka und Wanderstiefel. Sie war männlich, groß, schlank und – soweit ich es auf die Schnelle beurteilen konnte – Ende dreißig. Schnee haftete an seinem moosgrünen Rucksack und an den verfilzten, schulterlangen Haarsträhnen, die unter seiner Zipfelmütze hervorschauten. Der dunkle Kinn-und Oberlippenbart sah so weich aus wie Daunen, und in seinen haselnussbraunen Augen lag nicht die geringste Spur von Angst.
    »Verzeihen Sie mir«, sagte er ruhig. »Ich wollte Sie nicht beleidigen. Könnte ich vielleicht meinen Rucksack herunternehmen? Bitte? Es war ein ziemlich langer Tag.«
    »Von mir aus.« Ungeduldig stieß der alte Mann den Gewehrlauf in den Rucksack. »Aber eine falsche Bewegung, und ich blas Ihnen Ihr Verbrecherhirn aus dem Kopf!«

    Angesichts der brutalen Antwort auf die äu ßerst demütige Bitte des Wanderers meldete sich mein mütterlicher Beschützerinstinkt zu Wort.
    Als der dunkelhaarige Mann seinen Rucksack herunternahm und ihn vorsichtig auf den Boden stellte, machte meine Angst einer unglaublichen Wut Platz.
    »Sie Tyrann, Sie!«, rief ich, nachdem ich mich endlich aus meiner angstvollen Starre befreit hatte. »Wenn Sie unbedingt jemanden erschießen wollen, dann erschießen Sie mich, denn, um ehrlich zu sein, würde ich mich lieber gleich erschie ßen lassen, als von einem schießwütigen Geisteskranken
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