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Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Titel: Tante Dimity und der unheimliche Sturm
Autoren: Nancy Atherton
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gefangen gehalten zu werden. Machen Sie schon, Sie aufgeblasener Revolverheld, drü cken Sie schon ab!«
    Der alte Mann warf mir einen unsicheren Blick zu, so als hielte er mich für eine Geisteskranke, und diesen Augenblick der Unsicherheit nutzte der jüngere Mann, um sich zu ducken und in einer anmutigen Drehung herumzuwirbeln, die Flinte am Gewehrlauf zu packen und sie dem anderen zu entwinden. Dieser schlug kurz nach dem Jüngeren, sank dann aber mit dem Rücken gegen die Tür und verharrte dort mit vor der Brust verschränkten Armen. Er schien mehr ver ärgert als eingeschüchtert zu sein.

    Der dunkelhaarige Mann trat mehrere Schritte zurück, öffnete die Schrotflinte und spähte in das Patronenlager. Seine Lippen kräuselten sich zu einem amüsierten Lächeln, während er von der Flinte zu dem alten Mann blickte. »Erlauben Sie mir die Frage, wie Sie Ihren Plan, mich zu erschießen, ausführen wollten? Sie haben vergessen, Ihre Flinte zu laden.«
    »Hab ich nicht vergessen«, gab der alte Mann mürrisch zurück. »Ich vergeude doch nicht wertvolle Munition für so ein Gesindel!«
    »Dann darf ich also annehmen, dass Sie keine Schrotpatronen in Ihrer Jackentasche haben?
    Gut. Es war dennoch sehr ungezogen von Ihnen, den Damen eine solche Angst einzujagen. Wir wollen nicht, dass das nochmals passiert.« Der dunkelhaarige Mann streckte sich, stellte sich auf die Zehenspitzen und deponierte die Flinte oben auf der weißen Anrichte, außer Reichweite des alten Mannes, und ging dann zum Tisch. »Nun können wir uns zivilisiert unterhalten. Möchten Sie sich nicht setzen, Mr …?«
    »Catchpole«, schnauzte der alte Mann. »Den Mister können Sie sich sparen. Catchpole, ganz einfach.« Er warf dem Mann, den er kurz zuvor gefangen genommen hatte, einen finsteren Blick zu. »Und wie heißen Sie, Bürschchen? Ich bin sicher, dass die Bullen das interessieren dürfte, wenn sie’s nicht schon wissen.«
    »Ich heiße Jamie Macrae. Den Mister können Sie sich sparen. Einfach Jamie.« Das war ein schottischer Name, aber sein Akzent war eine merkwürdige Mischung aus Mittlerer-Westen-Amerikanisch und Oxford-Englisch.
    »Ein dreckiger Yankee, der hierher kommt, um die Abtei zu plündern. Großer Gott, was würde Miss DeClerke sagen, wenn sie das wüsste!«
    »Sie sind Amerikaner?«, sagte ich zu Jamie.
    »Wir auch. Ich heiße Lori Shepherd, und das hier ist Wendy Walker.«
    »Freut mich, Sie kennenzulernen.« Jamie Macrae nahm die Mütze vom Kopf, streifte sich die Handschuhe von den Fingern und entledigte sich seines Parkas, um alles auf seinen Rucksack zu legen. Dann wischte er sich den Schnee vom Kragen seines dicken, dunkelblauen Rollkragenpullovers und setzte sich, mit dem Rücken demonstrativ zur Anrichte und dem Gesicht zu Catchpole, an den Tisch. »Könnten Sie vielleicht eine Tasse Tee erübrigen? Es ist ein wenig stürmisch da draußen.«
    »Das haben wir auch festgestellt«, sagte Wendy trocken. Sie holte zwei weitere Tassen aus dem Schrank und goss Tee für alle ein, auch für Catchpole.
    Der alte Mann hielt sich mit beiden Händen das Gesicht und murmelte wie zu sich selbst:
    »Drei Yankees? Lieber Gott im Himmel, was würde nur Miss DeClerke sagen, wenn sie wüsste, dass drei verlogene, stehlende Yankees …«
    »Woher sollen wir wissen, dass nicht Sie ein Dieb sind?«, fiel Wendy ihm ins Wort und nahm gegenüber dem alten Mann Platz.
    »Ein Dieb?« Catchpole hob seinen grauhaarigen Kopf und starrte sie ungläubig an. »Ich bin Catchpole, der Verwalter«, erwiderte er in bellendem Ton. »Mein ganzes Leben arbeite ich auf Ladythorne. Es gehört zu meinen Aufgaben, mich um die Abtei zu kümmern, und ich will verdammt sein …« – er hieb die Faust auf den Tisch –,»… wenn ich es zulasse, dass eine Gangsterbande die Abtei plündert.«
    »Oh, um Himmels willen«, sagte ich ungeduldig, »sehen wir wie Gangster aus? Wir sind wegen des Schneesturms hier. Ich weiß nicht, ob es Ihnen aufgefallen ist, aber draußen schneit es, dass man die Hand nicht mehr vor dem Gesicht sieht, und dieses Gebäude hier ist das einzige meilenweit, das einem Zuflucht bietet.«

    Catchpole wies mit einer Kinnbewegung zu Jamie. »Dann hat der da also Zuflucht in der Familiengruft gesucht?«
    »In der Tat, das hatte ich«, sagte Jamie milde.
    »Ich wusste nämlich nicht, dass es auch ein Wohnhaus gibt, bis Sie mich zu ihm führten. Ich bin übrigens froh, dass Sie das taten. Die Aussicht, in einem Mausoleum zu campen, war nicht gerade
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