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Tannöd

Tannöd

Titel: Tannöd
Autoren: Andrea Schenkel
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Ist
nichts als wie Hurerei um sie rum, das nimmer schlimmer geht. Alle
Todsünden hat der Alte auf seinem Gewissen, alle.
    Geschachert hat der gleich nach
dem Krieg und davor auch schon.
    Zuerst war er ein ganz
Hundertprozentiger und nachher hat er es auf einmal mit dem Ami
gehabt. Der hat's mit alle können, die ihm was bracht haben.
Ich möcht nicht wissen, was der alles auf dem Kerbholz hat.
Schlafen könnt ich nimmer, wenn ich des alles
wüsst.   
    Hinter sein Schwiegersohn, da
waren doch auch die Gendarm her. Verschoben soll der irgendwas
haben und dann war der weg. Sonst hätte der doch nicht weg
müssen, zwischen »Finster und Siegstmined«. Ich
sag's noch mal, und immer wieder sag ich's, der Teufel hat die
Sippschaft geholt. Gewittert hat's doch auch in der Nacht vom
Freitag auf den Samstag.
    Der Freitag ist ein guter Tag
für die schwarzen Leit und für die Trud und des ganze
Volk. So mancher ist schon am Freitag verschwunden, noch dazu in
einem solchen Haus, in dem sich schon einer umbracht hat. Da gehens
doch um, die armen Seelen und holen sich ihr Recht. Solche
Geschichten hat mir schon meine Mutter verzählt und die
weiß es von ihrer Mutter. Auf die Alten muss einer
hören. 

Hochwürden
Herr Pfarrer Meißner 63 Jahre
    Seit Kriegsende bin ich in dieser
Gemeinde als Pfarrer tätig. Das sind nun auch schon wieder
fast zehn Jahre. Aber so etwas, ein Mord, ist bei uns meines
Wissens noch nie passiert.
    Viele Familien in der Gemeinde
sind zutiefst verstört, verunsichert. Einige verlassen nach
Anbruch der Dämmerung ihre Häuser nicht mehr. Das
Gemeindeleben hat aufgehört zu existieren. Jeder misstraut dem
anderen. Es ist eine richtige Tragödie. Ein jeder hat doch
geglaubt, die schlimmen Jahre liegen nun endgültig hinter uns,
das Leben ist langsam wieder in die richtigen Bahnen gelenkt
worden. Bei uns im Ort sind mittlerweile alle wieder heimgekehrt.
Das Leben hatte sich wieder normalisiert und nun dieser Mord.
Plötzlich geht die Angst wieder um, alles wird in Frage
gestellt. Wir sehen, wie trügerisch der normale Alltag sein
kann. Aber lassen wir das. Sie wollen mich sicher über die
Familie Danner befragen. Die Familie Danner. Wie die Danners waren.
Tja, ich denke, die alte Frau Danner, die war eine gute Christin.
Eine einfache Frau, die aber sehr gläubig war. Sie suchte oft
Trost und fand ihn auch im Gebet. Sie war sehr verschlossen und in
letzter Zeit nahm diese Verschlossenheit eher noch zu. Ich glaube,
sie war bereits am Ende ihrer Reise angekommen und bereitete sich
innerlich schon auf ein Leben nach dem Tode vor. Soweit ich das
beurteilen kann, war sie zu ihren Enkeln liebevoll.
    Ihr Mann war ein Patriarch im
guten wie im schlechten Sinne dieses Wortes. Sein Wort war
innerhalb der Familie Gesetz. Niemand konnte sich gegen ihn
auflehnen, niemand. Niemand konnte sich seinem Willen widersetzen.
Ein gläubiger Mann war er bestimmt, wenn auch auf eine, seine
eigene Art. Er war eher, würde ich sagen, ein Mann des alten
Testamentes. Hart zu sich, hart zu den Seinen. Seine Tochter, die
Barbara. Lange habe ich geglaubt, sie würde unter der
Herrschaft ihres Vaters leiden. Aber ich bin mir nicht mehr sicher.
Die Barbara war doch schon sehr von ihrem Vater geprägt. Ich
glaube, die beiden hat eine Hassliebe
verbunden.     
    Sie bewunderte ihren Vater auf der
einen Seite. War ihm in ihrer schroffen Art auch oft sehr
ähnlich. Auf der anderen Seite kann ich mich des Gefühles
nicht erwehren, dass sie ihn verabscheute. Richtig
verabscheute.
    Sie hat sich mir gegenüber
nie geöffnet, obwohl ich es mehrmals versuchte. Aber die Art
und Weise, wie sie ihn manchmal, wenn sie sich unbeobachtet
wähnte, ansah. Die war für mich als Mann Gottes doch
sehr befremdlich. In ihren Augen stand
der Hass. Nicht die Liebe, nein, der Hass.
    Als Pfarrer wird man ja mit allen
Seiten des menschlichen Zusammenlebens konfrontiert und Sie
können mir glauben, ich habe schon viel erlebt und gesehen,
aber gerade in letzter Zeit sah ich die Abneigung, ja den Hass
immer öfter in ihren Augen. Die kleine Marianne war eine
Träumerin, eine kleine Träumerin. Ich hatte sie in der
Schule im Fach Religion unterrichtet. Sie war sehr still und
verträumt. Ein hübsches Mädchen mit blonden
Zöpfen. Ich finde es schier unerträglich, dass auch sie
der Hand des Mörders zum Opfer fiel. Sie und der kleine Josef.
Warum, frage ich mich, warum darf so etwas geschehen und die zwei
unschuldigen Kinder werden Opfer einer solch
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