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Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Titel: Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit
Autoren: Else Ury
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Das lustige halbe Dutzend
     
    Im Ofen heulte der Wind. Er ächzte und stöhnte. Wild fuhr er in den Schornstein und wirbelte die Kohlenglut ungestüm durcheinander. An den Fensterscheiben rüttelte er, daß sie anfingen zu klirren. Jetzt warf er gar Eisbrocken wie ein echter Gassenjunge gegen das Fensterglas. Dann aber gab er schnell Fersengeld. Denn innen hinter der weißgepunkteten Mullgardine tauchte ein rosiger Blondkopf auf, mit weitaufgerissenen Augen in das tolle Durcheinander hinausstarrend.
    »Brrr ... ist das ein Hundewetter!« Nesthäkchen schüttelte sich.
    Um so gemütlicher war es drinnen. Die von einem grünen Seidenschleier gedämpfte Tischlampe warf ihr Licht über den zierlich gedeckten Kaffeetisch vor dem Ecksofa. Auf der goldgelben Tischdecke standen sechs goldgeränderte Tassen. Die Mitte aber nahm der umfangreiche Kuchenteller ein mit allerlei verlockenden Sachen darauf. Das mochte wohl auch Klaus, der gerade ins Zimmer getreten war, dazu bewegen, die Hand nach einem zuckerbestreuten Pfannkuchen auszustrecken und ihn gleich in den Mund verschwinden zu lassen.
    In diesem kritischen Augenblick drehte sich Annemarie vom Fenster in das Zimmer zurück. Eine Sekunde stand sie entgeistert. Dann flog sie wütend auf den Missetäter zu.
    »Mutti ... der Klaus maust mir meinen Kuchen weg! Gerade einen Pfannkuchen hat er erwischt! Und die Hanne hat bloß sechs gebacken. Ach Gott, nun bekommt eine keinen!« so jammerte Annemarie und ging trotz ihrer fast sechzehn Jahre mit erhobenen Fäusten auf den älteren Bruder los.
    Der verschanzte sich lachend hinter einem als Schild erhobenen Korbsessel.
    »Reg dich wieder ab, Annemie. Der Pfannkuchen hat deinem lieben Bruder mindestens so gut geschmeckt wie deinen Freundinnen. Und da du mit deiner Vera stets ein Herz und eine Seele bist, könnt ihr ja auch mal ein Magen sein und euch den Pfannkuchen teilen«, schlug der Primaner mit Gemütsruhe vor und zündete sich eine Zigarette an.
    »Und mein Zimmer paffst du mir auch mit deiner alten Zigarette voll.« Wieder überwältigte die Empörung das junge Mädchen.
    »Was, ihr Mädel wollt Sekundaner sein und könnt nicht mal ein bißchen Zigarettendampf vertragen? Na warte, Annemie, ich werde daran denken, wenn du mir mal wieder Zigaretten abbettelst.« Damit blies er der hübschen Schwester eine große Rauchwolke in das Gesicht. Jetzt ging der Kampf um die Zigarette. Annemarie war geschmeidig wie eine Eidechse. Aber auch Klaus war geschickt. Bald balgten sich die zwei kunstgerecht, wie sie es von klein auf getan hatten. Wenn es jetzt auch mehr Scherz war und weniger erbitterte Formen annahm.
    Der Korbsessel stürzte zu Boden. Die Blumenkrippe am Fenster kam ins Wanken. Puck, das weiße Hündchen, sprang blaffend herum. Bums ... da flog der goldgeränderte Milchtopf um. Eine weiße Flut ergoß sich über die schöne Damastdecke.
    »Mutti ... Mutti ... der Klaus hat ... der Milchtopf ist umgefallen. Mutti ... ach Gott, hier schwimmt alles!« Der große Backfisch rief nach der Mutter wie das kleine Nesthäkchen aus dem Kindergarten.
    In der zum Speisezimmer führenden Tür erschien Frau Braun. Eine schlanke Dame mit noch jungem Gesicht trotz des früh ergrauten Haares.
    »Aber Kinder ... schämt ihr euch denn gar nicht! Was sollen deine Freundinnen nur davon denken, wenn sie hier das wüste Durcheinander sehen, Lotte. Und meine Kaffeedecke ist auch verdorben.« Vorwurfsvoll blickte die Mutter auf den jetzt wenig einladenden Tisch.
    »Milch gibt keine Flecken, Kaffee wäre schlimmer.« Klaus pflegte allem im Leben die beste Seite abzugewinnen.
    Da ging die Tür auf. Das Hausmädchen meldete: »Fräulein Annemarie ... Fräulein Vera.«
    Da trat auch schon ein schlankes junges Mädchen, Annemaries beste Freundin, ins Zimmer. Der matte, elfenbeinfarbene Hautton ihres Gesichtes bildete einen reizvollen Gegensatz zu dem tiefschwarzen Haar. »Puh ... hat es gegeben hierr Krieg?« Lachend wies die Freundin auf die noch von dem Kampf zeugenden Spuren. Ihr Deutsch verriet die polnische Abstammung noch immer, obwohl Vera schon einige Jahre in Deutschland lebte. Jetzt erst entdeckte sie Frau Braun und bestellte ihr Grüße von der Tante, in deren Haus das junge Mädchen aufwuchs. Denn Vera war eine Waise.
    »Guten Tag, Vera. Nun kann sich meine Lotte vor dir schämen, daß sie mit Klaus keinen Frieden hält. Draußen ist der Krieg nun glücklich zu Ende, aber hier in unseren vier Wänden tobt er immer noch.« Es sollte scherzhaft
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