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Tannöd

Tannöd

Titel: Tannöd
Autoren: Andrea Schenkel
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in ihrer widerlichen
Lüsternheit.     
    Mit den Jahren hatte sie gelernt,
ihren Vater von sich abhängig zu machen. Sie liebt es, wenn er
um eine Nacht bettelt, ja vor ihr auf den Knien liegt. Sie hat ihn
in der Hand. Das Verhältnis hat sich gewandelt. Nun war sie am
Zug.
    Für seine verbotene
Leidenschaft muss er zahlen. Mit dem Hof, er hat ihr den Hof
überschrieben zu ihren Bedingungen. Sie hat ihm die
Uberschreibung diktiert. Er ist nun von ihr und ihrer Gunst
abhängig. Natürlich wollte sie mit der Spende Abbitte
leisten. Sie wollte frei sein, auch frei von einer Sünde, die
sie nie aus freien Stücken auf sich geladen
hätte.
    Die Zeit vergeht nur langsam. Im
Schneckentempo verrinnen die Minuten, die
Stunden.
    Mich liegt immer noch auf der
Lauer. Im Haus ist immer noch keine Ruhe
eingekehrt.
    Er wartet auf den Augenblick, in
dem er zuschlagen kann. In Gedanken geht Mich noch
einmal seinen Plan durch. Abwarten wollte er, bis das
Haus ruhig daliegt, hinunterschleichen in den
Stadel.
    Der Trick mit dem roten Hahn. Er
hat es schon öfter brennen lassen. Einfach war
das.
    Die Bewohner des Hauses liegen in
ihren Betten. Im Stadel entzündet er ein
Feuer.
     
    Der Ruf »Feuer, Feuer!«
würde genügen, den Danner und seine Familie hochschrecken
zu lassen. Schlaftrunken würden sie aus dem Haus
hinüberlaufen in den Stadel, um zu retten, was noch zu retten
ist. In der nun ausbrechenden Panik hätte er reichlich Zeit,
in das Haus einzudringen. Die Bewohner würden damit
beschäftigt sein, ihr Vieh vor den Flammen aus dem Stall zu
holen. In dem entstehenden Chaos wird er die im Haus versteckte
gesamte Barschaft mitnehmen. Die Bewohner des Hauses würden
viel zu beschäftigt sein, das Feuer unter Kontrolle zu halten
und die Nachbarschaft zu alarmieren. Keiner könnte hinterher
mehr sagen, wer den Brand zuerst bemerkte. Selbst seine
Spuren würden mit dem Stadel in Flammen aufgehen und noch ehe
der Brand gelöscht war, wäre er bereits im Wald
verschwunden. Mich verlässt sein Versteck auf dem Dachboden.
Der Zeitpunkt scheint gekommen. Im Haus ist es bereits seit
geraumer Zeit ruhig geworden. Vorsichtig schleicht er sich vor zum
Zwischenboden der Scheune. Zur Tenne. Er hält inne. Hört
sein Herz schlagen, hört seinen Atem.
    Unter ihm ein Rascheln. Wie ein
Blitz durchfährt es ihn, unter ihm im Stadel ist einer. Warum
hat er ihn nicht kommen sehen? Wie konnte ihm dieser Fehler
unterlaufen? Es hat jetzt keinen Sinn, darüber nachzudenken.
Der unten muss das Haus verlassen, ehe der Mich losschlagen
kann.
    Eine zweite Person kommt in den
Stadel. Mich hört die Stimme einer Frau, er kennt die Stimme.
Es ist die Barbara.
    Die Stimme des Mannes kennt er
nicht. Der Danner ist es auf keinen Fall, da ist sich Mich sicher.
Was gesprochen wird? Mich hört zwar die Stimmen, das
Gesprochene kann er jedoch nicht verstehen. Er legt sich flach auf
den Boden. Durch die Dielenbretter hindurch kann er
hinunterschauen. Aus dem Wortwechsel wird ein Streit. Die Stimmen
werden lauter, die Frauenstimme hysterisch, schrill. Der Mann packt
die Barbara am Hals, würgt sie. Alles geht
blitzschnell. 
    Mich dreht für einen
Augenblick seinen Kopf zur Seite. Versucht, aus einer anderen
Position heraus besser sehen zu können.
    Als er die beiden endlich wieder
im Blickfeld hat, hält der Mann eine Spitzhacke über den
Kopf. Schlägt damit auf Barbara ein, diese sackt lautlos in
sich zusammen. Liegt am Boden. Besinnungslos schlägt der
Angreifer weiter auf die wehrlos am Boden Liegende ein. Immer
wieder holt er aus. Lässt erst nach einer ganzen Weile von ihr
ab.
    Mich liegt auf dem Zwischenboden,
wagt nicht zu atmen, sich zu bewegen.
    »Der hat die Tannöderin
erschlagen!«, geht es ihm durch den Kopf. »Wie eine
räudige Katze hat er sie erschlagen!«
    Der Unbekannte beugt sich
über den geschundenen Leib, hebt ihn an. Versucht den leblosen
Körper von der Tür weg, ins Innere des Stadels zu
schleifen. Weg vom Licht in die Finsternis.
    Plötzlich Schritte, eine
Stimme. Die alte Dannerin steht in der Tür. Mich hält den
Atem an. »Barbara, wo bist du? Bist du im Stadel?« Noch
ehe die Alte den Stadel richtig betreten hat, wird sie bereits von
einem Schlag niedergestreckt.
    Mich dreht sich auf den
Rücken, kann das Grauen nicht fassen.
    »Der bringt mich um, wenn er
mich erwischt, der bringt mich auch um!« Tränen laufen
über seine Wangen, er hat Todesangst.
    Er hält sich beide Hände
vor sein Gesicht. Fest auf sein Gesicht gepresst.
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