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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris
Autoren: Henri Sanson
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günstig war, konnte man seine Hinrichtung auf eine frühe Stunde festsetzen. Es war wirklich noch nicht fünf Uhr, als wir auf dem Rundplatze der Barrière St. Jacques ankamen, wo wir dieselbe Militärmacht wie bei Fieschis Hinrichtung aufgewandt fanden.
    Alibaud stieg mutig, aber ohne Prahlerei auf das Schafott; bevor er sich dem Gehilfen überlieferte, wendete er sich an die Zuschauer dieses blutigen Schauspiels und sagte mit fester Stimme:
    »Ich sterbe für die Freiheit und die Vernichtung dieser schändlichen Monarchie.«
    Darauf senkte sich das Fallbeil auf das Haupt dieses unglücklichen jungen Mannes, der ohne Zweifel sehr strafbar war, aber einen so vorteilhaften Gegensatz zu dem zuvor an derselben Stelle Hingerichteten Fieschi bildete, daß man in Frankreich, wo man den Mut achtet, das Schicksal dieses neuen Opfers des politischen Fanatismus, welches mit Heldenhaftigkeit alle Prüfungen seiner Lage ertragen hatte, aufrichtig bemitleidete.
Salmon, Poulmann
    Am Donnerstag, dem 30. November, wurde auf dem Platze St. Jacques Henri Salmon hingerichtet, welcher im Gehölz von Vincennes einen gewissen Séchepine ermordet hatte.
    Wie man weiß, überließ ich seit einiger Zeit Piot die Sorge, die Einzelheiten der Hinrichtungen zu versehen. Zu meinem großen Erstaunen meldete er mir, daß Henri Salmon den Wunsch geäußert, ich selber sollte seiner Leichentoilette vorstehen.
    Ich konnte nicht umhin, einzuwilligen, und als ich den Unglücklichen fragte, was ihn auf diesen Gedanken gebracht habe, sagte er, er kenne mich und meine Familie schon seit längerer Zeit und wisse, daß wir gut und menschlich wären; er rechnete daher auf mich, daß ich seine letzten schrecklichen Augenblicke soviel wie möglich mildern werde. Ich war tief gerührt davon und tat alles, was in meiner Macht stand, um den Unglücklichen bei einer so schrecklichen Prüfung zu unterstützen.
    Salmon hatte als Nachfolger auf dem Schafott einen Mann, der uns diese Mühe nicht verursachte, ich meine den berüchtigten Poulmann, genannt Durand oder Legrand, dessen schimpfliche Berühmtheit einen Augenblick der des Lacenaire die Wage hielt.
    Poulmann war in der Tat ein Ausnahmecharakter, und wenngleich er nicht, wie sein Nebenbuhler, das Verbrechen und den Mord zum Grundsatz erhob, so war er jedenfalls mit größerer Körperkraft ausgerüstet, um auf einer solchen Laufbahn zu glänzen. Er hatte einen siebzigjährigen Greis, welcher zwischen Marmont und Rangis ein einsam liegendes Wirtshaus hielt, ermordet; am 27. Januar zum Tode verurteilt, verzichtete er auf die Appellation.
    Als die Stunde der Strafe schlug, bewies er den erstaunlichsten Mut. Im Gegensatz zu denjenigen, welche in religiösen Betrachtungen ihren Trost finden, schöpfte er den seinen aus einem entsetzlichen Materialismus, mittels dessen er jeden Gedanken an ein anderes Leben zurückwies. Der Tod war für diesen unglücklichen Ungläubigen nur den »Übergang vom Leben zum Nichts« in einem Augenblick zu überspringen, um von allen menschlichen Empfindungen befreit zu sein.
    In den Augen solcher Menschen ist die brutale Gewalt die Herrscherin der Welt. Poulmann war besonders stolz auf die seinige. Man fürchtete, er würde in den letzten Augenblicken Proben davon ablegen und der Vollstreckung des Urteils Widerstand entgegensetzen. Ich war aus diesem Grunde angewiesen worden, die Zahl der Gehilfen zu verdoppeln.
    Diese Befürchtungen verwirklichten sich jedoch nicht. Er ließ sich das Haar ohne Widerspruch abschneiden; als man sich ihm aber näherte, um ihm die Hände zu binden, zauderte er einen Augenblick.
    »Was wollt ihr?« fragte er in barschem Tone.
    Ich trat vor und sagte ihm, es sei Gebrauch, allen Verurteilten die Hände zu binden, und dies sei unumgänglich nötig.
    »Ist es wenigstens gewiß, daß Ihr es mit allen so macht? Wenn ich glauben sollte, es geschähe nur mit mir allein, so wollte ich Euch und Eure ganze Clique hundert Schritte weit schleudern.«
    Poulmann hatte hartnäckig und oft in übler Laune die Tröstungen der Religion zurückgewiesen. Er wollte sogar nicht zugeben, daß der Abbé Montès ihn auf dem Wege von La Roquette nach der Barrière St. Jacques begleite. Der würdige Priester war genötigt, in einer besonderen Kutsche voraufzufahren, um am Hinrichtungsorte zu sein, falls der Anblick des Todesgeräts diesen verhärteten Schuldigen zur Reue stimmen sollte.
    Dem geschah nicht also; Poulmann betrachtete die Guillotine, ohne mit den Augen zu zucken.
    »Ist
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