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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris
Autoren: Henri Sanson
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war ein abgezehrter, armseliger Greis, aber er trug ein edles Herz in seinem abgelebten Körper. Bis zum Ende bewahrte er die Haltung eines Römers und hörte seinen Urteilsspruch mit der stoischen Gleichgültigkeit eines Cato an.
    Pépin, welcher sich während der Verhandlung schwach gezeigt hatte, schien sich zu ermannen, nachdem er die Gewißheit über sein trauriges Geschick erhalten hatte. Er schrieb einen rührenden Brief an seinen Advokaten und ordnete seine Angelegenheiten in der Art, daß seine Familie so wenig wie möglich durch seinen Untergang beeinträchtigt werde.
    Was Fieschi anbelangt, so verließ ihn seine Weitschweifigkeit und seine Prahlerei auch während der wenigen Tage nicht, welche er noch nach seiner Verurteilung in dem Gefängnis von Klein-Luxembourg zubrachte. Er schrieb auch an seinen Advokaten Pasquier und an mehrere andere Personen. Seine gemeine Eitelkeit gefiel sich darin, das Publikum bis zu dem letzten Augenblick mit ihm beschäftigt zu sehen.
    Während dieser Zeit bemühte man sich, Morey und Pépin, von welchen man voraussetzte, daß sie die Verschwörung auf höheren Befehl angesponnen, Enthüllungen zu entlocken, um die geheimnisvollen Mitschuldigen kennenzulernen. Beide weigerten sich mit unerschütterlicher Standhaftigkeit, sei es, daß sie in der Tat keine Enthüllung zu machen hatten, sei es, daß sie einem gegebenen Worte treu bleiben und die Geheimnisse ihrer Partei achten wollten. Pépins Familie verwendete sich beim Könige; Louis Philipp gab auf diese Bitte der Familie eine bewundernswerte Antwort.
    »Ich möchte an jenem grausamen Tage das Recht, zu begnadigen, mit meinem Blute bezahlt haben,« sagte er, »aber ich habe eine Verpflichtung gegen die Familien so vieler unglücklicher Opfer.«
    Am 19. morgens, als es kaum tagte, holten wir die drei Verurteilten aus dem Gefängnis von Klein-Luxembourg ab. Sie wurden der Reihe nach behufs der verhängnisvollen Zurüstung herbeigeführt.
    Fieschi sprach viel in fieberhafter Lebendigkeit; Pépin zeigte sich ruhig und ergeben; was Morey anbetrifft, so blieb er düster und ernst wie vorher. Um ihm das Haar abzuschneiden, war man genötigt, ihm eine schwarze seidene Mütze, die er beständig trug, vom Kopfe zu nehmen; Piot wollte ihm auch seinen Westenkragen abschneiden, welcher zu hoch in den Nacken hinaufreichte, Moiey zog es aber vor, dies Kleidungsstück abzulegen.
    »Weshalb diese Weste verderben,« sagte er zu mir mit dem Tone eines Mannes von mitleidigem Herzen; »sie ist noch gut genug, um sie einem Armen zu schenken.«
    Beim Weggehen wurden die drei Verurteilten wieder vereinigt. Fieschi wollte sich seinen Todesgefährten nähern und das Wort an sie richten; Pépin antwortete ihm in kaltem Tone, aber ohne Groll; Morey wendete sich mit Verachtung ab.
    Wir fuhren durch den ganzen Luxembourggarten bis zum Gitter der Sternwarte, und von dort erreichten wir den Rundplatz der Barrière St. Jacques, wo uns eine bedeutende Militärmacht erwartete.
    Während des ganzen Hinweges wiederholte Pépin fast wie ein öffentlicher Ausrufer, aber in kläglichem Tone: »Fieschi und sein Verbrechen kommen hier vorbei.«
    An dem Platze der Bestimmung angelangt, stieg er zuerst ab. Noch bis zum Fuße des Schafotts bat man ihn, das, was er wisse, mitzuteilen. Ein Polizeikommissarius bedrängte ihn mit Fragen und gab ihm zu verstehen, seine Strafe würde gemildert und ihm das Leben gerettet werden, wenn er sich zu Geständnissen bewegen ließe. Pépin wies jedoch mit Edelmut diese Eröffnungen zurück, welche im letzten Augenblicke wohl seinen Mut hätten wankend machen können.
    »Ich habe nichts weiter zu sagen,« sprach er mit Festigkeit und stieg behend auf die Plattform, wo sein Kopf zuerst fiel.
    Man hatte sich nicht einmal Mühe gegeben, dem alten Morey dieselbe Prüfung aufzulegen, denn man wußte im voraus, daß man von diesem standhaften Charakter nichts erlangen würde. Da er gliederlahm war, so mußten ihn die Gehilfen gewissermaßen auf das Schafott tragen; die nächsten Zuschauer konnten sich jedoch über diesen Umstand nicht täuschen und die Gebrechlichkeit des Greises einer Schwäche zuschreiben. Sein Blick war fest, und keine Muskel seines Gesichts verzog sich.
    Fieschi bestieg zuletzt das Schafott. Louis Philipp hatte es ihm erlassen, im Hemde, barfuß und den Kopf mit einem schwarzen Schleier bedeckt, zur Hinrichtung zu gehen, wie es das Urteil des Pairshofes verlangte. Das war die einzige Gnade, welche der König sich
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