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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris
Autoren: Henri Sanson
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gestatten zu dürfen glaubte.
    Die Unparteilichkeit zwingt mich, anzuerkennen, daß dieser prahlerische Korse selbst in dieser letzten kritischen Stunde keine Schwäche zeigte; ich weiß aber nicht, weshalb mich seine mit Prahlerei gemischte Sündhaftigkeit viel weniger rührte als der einfache, würdige Mut der beiden Männer, welche ihm vorangingen.
    Ehe er sich auf das Brett binden ließ, wollte er die Menge anreden.
    Der Abbé Grivel, der Seelsorger von Luxembourg, welcher ihm versprochen hatte, daß man ihm diese letzte Gunst gewähren würde, hatte mich gebeten, nichts dagegen einzuwenden.
    Fieschi trat also an den Rand der Plattform und begann anfänglich mit starker Stimme folgende Rede:
    »Bürger, ich fürchte den Tod nicht, ich hätte aus freiem Antriebe hierherkommen können, wie auf eine Stätte der Ehre. Ich sagte die Wahrheit, als ich meine Mitschuldigen angab: ich habe diesen Dienst meinem Vaterlande erzeigt; ich sage die Wahrheit, die volle Wahrheit!«
    Plötzlich erbleichte jedoch sein Antlitz, seine Züge entstellten sich, er stammelte und sank den Gehilfen in die Arme.
    Einen Augenblick später hatte der Angeber dasselbe Schicksal wie seine Opfer, und ich frage, ob Frankreich viel dabei gewann, daß an jenem Morgen drei Köpfe anstatt eines in den roten Korb fielen?
    Der 11. Juli sah noch einmal einen Königsmörder das Schafott besteigen, aber von anderer Art als der elende Fieschi. Dieser, namens Louis Alibaud, war ein junger Mann von sechsundzwanzig Jahren, ehemaliger Militär, gebürtig aus Nimes, welcher in dem Augenblick, als die Kutsche des Königs aus der Pforte des Carousel kam, um die Rivolistraße hinunterzufahren, aus einem in einem Rohrstock verborgenen Flintenlauf auf den König geschossen hatte. Auch dieses Mal war Louis Philipp nicht getroffen worden, und glücklicherweise war auch kein anderes Opfer zu beklagen.
    Stehenden Fußes von den in dem Schlosse diensttuenden Nationalgarden verhaftet, nahm Alibaud keinen Anstand, sein Verbrechen zu gestehen, und anstatt dasselbe zu bereuen, sich im Gegenteil damit zu rühmen. Der an den Pairshof verwiesene Prozeß wurde schnell betrieben, denn man zweifelte nicht, daß, selbst wenn dieses neue Attentat keine vereinzelte Tatsache sei, man doch nicht mehr erfahren würde.
    Der Angeklagte hatte sogleich durch seine Haltung und seine Sprache gezeigt, daß er nicht zu denen gehöre, auf die Versuchung oder Gewalt Einfluß haben könnte. In jedem Verhöre erneuerte er das Geständnis, er habe die bestimmte Absicht gehabt, den König zu töten, und nahm die Verantwortlichkeit für diesen Entschluß, der aus seiner Vaterlandsliebe und dem heißen Wunsche, zur Befreiung des Volks beizutragen, hervorgegangen sei, allein auf sich. Dieses Geständnis wurde in festem Tone und mit unbeschreiblichem Stolze gegeben.
    Die anklagende Behörde war nicht mit dem offenen Geständnis des augenfälligen Verbrechens zufrieden und beging den Fehler, noch andere Waffen gegen Alibaud anwenden zu wollen. Man suchte seine Sittlichkeit zu verdächtigen, sein vorhergehendes Leben zu beschmutzen, man verleumdete sein Privatleben; dadurch bot man ihm die Mittel zu seiner Verteidigung, denn in allen diesen Beziehungen war er nicht anzugreifen.
    Alibaud hatte zwar sein Leben zum Opfer gebracht, wollte aber seine Ehre nicht angreifen lassen, die er durch seinen versuchten Königsmord für unbefleckt hielt. Im Verlauf der Verhandlung wies er siegreich alle Angriffe gegen seine Sittlichkeit und Rechtlichkeit zurück. Als er jedoch bis zur Verteidigung seines Verbrechens schreiten wollte, erregten seine kühnen Worte auf den Bänken des edlen Gerichtshofes ein Murmeln der Mißbilligung, vor welchem er schweigen mußte.
    Ich kann nicht umhin, der kostbaren Sammlung Fouquiers den dramatischen Bericht dieses Audienztermines, welcher die schreckliche Energie Alibauds ins Licht setzte, zu entlehnen.
    Nach der Verteidigungsrede seines Advokaten wurde Alibaud befragt, ob er noch etwas zu seiner Verteidigung hinzuzufügen habe. Er erhebt sich, entfaltet die Blätter einer Handschrift und liest mit lauter und fester Stimme folgendes:
    »Meine Herren Pairs!
    Ich habe niemals daran gedacht, meinen Kopf zu verteidigen; meine Absicht war, Ihnen denselben in loyalster Weise darzubringen, und ich glaube, daß Sie ihn ebenso angenommen hätten. Ein Verschwörer führt sein Werk zum Gelingen oder stirbt; mir jedoch mußte im Fall des Gelingens oder im entgegengesetzten Fall der Tod zuteil
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