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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris
Autoren: Henri Sanson
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es weiter nichts?« fragte er.
    Ich versichere, daß in diesem Worte weder Verstellung noch Prahlerei zu erkennen war. Es war weiter nichts als die vollständigste Gleichgültigkeit gegen Leben oder Tod; die Seelenkräfte waren durch das körperliche Übergewicht ertötet, und infolgedessen fehlte es ihm an den Gedanken und Empfindungen, welche alle Geschöpfe beseelen, in denen sich jene beiden Elemente friedlich vereinigen.
    Auf dem Schafott angekommen, wendete sich Poulmann an die Gehilfen und sagte zu ihnen:
    »He, he! Heda! Ihr da! Wollt ihr mir nicht ein Zwanzigsousstück für den Totengräber in die Tasche stecken? Es ist nicht gerade warm, und der arme Schlucker wird nach seinem Geschäft nötig haben, sich durch eine Flasche guten Wein zu erwärmen, um auf meine Gesundheit zu trinken!« fügte er mit plumpem Gelächter hinzu.
    Piot erfüllte eilig seinen Wunsch.
    »Die ganze Gesellschaft lebe wohl!« rief Poulmann; »auch du, meine geliebte Louise, mein letzter Gedanke. Du bist mehr zu beklagen als ich, denn du lebst noch, und wir werden uns nicht wiedersehen.«
    Dieser Ruf war an seine Mätresse namens Marie Louise Frenot gerichtet, welche durch dasselbe Erkenntnis zu zwanzigjähriger Strafarbeit verurteilt worden war.
    Um acht Uhr morgens war Poulmann hingerichtet.
    Am Montag, dem 28. Oktober 1844, fand eine Hinrichtung zu Versailles statt. Antoine Pont, ein Grundbesitzer und Gehilfe des Maire der Gemeinde d'Epinay-sous-Senart, hatte seine Frau am 24. Januar 1843 vergiftet und seine Mätresse namens Louise Monteneau am 5. April desselben Jahres im Walde von Senart ermordet und war infolgedessen von dem Assisenhofe der Seine und Oise zum Tode verurteilt.
    Der Stand des Verurteilten und die Scheußlichkeit seiner Verbrechen hatten großes Aufsehen erregt, und es fand sich deswegen eine ungeheure Volksmenge bei seiner Hinrichtung ein, welche sich wenig menschlich zeigte und den Delinquenten bis an den Fuß des Schafotts mit Schimpfreden verfolgte.–
    __________
    Hier enden die Notizen, welche ich, dem Gebrauch meiner Vorfahren folgend, über die Hinrichtungen gemacht habe. Ich weiß nicht und will nicht wissen, ob Piot diese blutige Nekrologie fortgeführt hat. Was mich betrifft, so entsank die Feder meinen Händen; mehr als hundert Köpfe, die in einem Vierteljahrhundert fielen, haben meine Kräfte erschöpft. Seit vier Jahren hatte ich meinen Vater verloren; ich glaubte, der kindlichen Liebe, die mich sein schweres Amt zu übernehmen bewog, hinlänglich Rechnung getragen zu haben. Ich blieb dem Namen nach Scharfrichter, bis man daran dachte, sich des Müßiggängers der Guillotine zu entledigen. Piot verrichtete den ganzen Dienst, und ich beschränkte mich darauf, ihn durch meine Gegenwart zu ermutigen.
    Die beiden einzigen Hinrichtungen dieser ganzen Zeit, welche eine Spur in meinem Gedächtnis zurückließen, waren die des Fourier, des Häuptlings der Bande der Escarpes, und die des Lecomte, des letzten Königsmörders, welcher Louis Philipp nach dem Leben trachtete. Der erste war fast noch ein Kind, welches früh von seinen Eltern verlassen worden war und im letzten Augenblick, wie Foulard, ein Rachegeschrei gegen sie erhob, indem er ihnen die Verantwortlichkeit für seinen Untergang zur Last legte; der zweite war ein alter Militär, ein tapferer Unteroffizier, welcher des Ehrenzeichens beraubt werden mußte, ehe man ihn der schimpflichen Todesstrafe überlieferte. Er starb mit stoischer Festigkeit.
    Meine lange vorhergesehene Abberufung erfolgte im Jahre 1847; man weiß, wie ich sie aufnahm. Eine Schar von Bewerbern machte sich das alte Erbteil meiner Familie streitig; keiner von denen, welche sich darum bewarben, erhielt dasselbe.

Nachwort
    Ich bin zu Ende. Ist es nötig, dem Leser erst anzuzeigen, welchen Schluß er zunächst aus diesem Buche zu ziehen habe, welches sich von der Zeit der Überlieferung und der historischen Erinnerungen, bis auf die von mir gesehenen und erzählten Begebenheiten erstreckt?
    Welches ist das Ergebnis der Bilanz von hundertundelf Menschenköpfen, die ich auf den Altar der Justiz niedergelegt habe? Das Resultat ist gleich null!
    Wo in dieser langen Reihe von Hinrichtungen hat man wirklich gefunden, daß die abscheuliche Strafe, mit welcher die menschlichen Gesetze in die göttliche Macht eingreifen, durch wirkliche praktische Vorteile das ersetze, was theoretisch Scheußliches darin enthalten ist? Wo hat man gesehen, daß dem Verbrechen dadurch vorgebeugt oder auch nur,
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