Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzten Kinder von Schewenborn

Die letzten Kinder von Schewenborn

Titel: Die letzten Kinder von Schewenborn
Autoren: Gudrun Pausewang
Vom Netzwerk:
AM ANFANG  SCHUF GOTT HIMMEL UND ERDE
    Aber nach vielen Jahrmillione n war der Mensch endlich klug genug. Er sprach: Wer redet hier von Gott? Ich nehme meine Zukunft selbst in die Hand. Er nahm sie, und es begannen die letzten sieben Tage der Erde.

    Am Morgen des ersten Tages
    beschloß der Mensch, frei zu sein und gut, schön und glücklich. Nicht mehr Ebenbild eines Gottes, sondern ein Mensch. Und weil er etwas glauben mußte, glaubte er an die Freiheit und an das Glück, an die Börse und an den Fortschritt, an die Planung und an seine Sicherheit. Denn zu seiner Sicherheit hatte er den Grund zu seinen Füßen gefüllt mit Raketen und Atomsprengköpfen.

    Am zweiten Tage der letzten Zeit
    starben die Fische in den Industriegewässern, die Vögel am Pulver aus der chemischen Fabrik, das den Raupen bestimmt war, die Feldhasen an den Bleiwolken von der Straße,
    die Schoßhunde an der schönen roten Farbe in der Wurst, die Heringe im Öl auf dem Meer und an dem Müll auf dem Grunde des Ozeans. Denn der Müll war aktiv.

    Am dritten Tage
    verdorrte das Gras auf den Feldern und das Laub auf den Bäumen, das Moos an den Felsen und die Blumen in den Gärten. Denn der Mensch machte das Wetter selbst und verteilte den Regen nach genauem Plan. Es war nur ein kleiner Fehler in dem Rechner, der den Regen verteilte. Als sie den Fehler fanden, lagen die Lastkähne auf dem trockenen Grund des schönen Rheins.

    Am vierten Tage
    gingen drei von vier Milliarden Menschen zugrunde. Die einen an den Krankheiten, die der Mensch gezüchtet hatte, denn einer hatte vergessen, die Behälter zu schließen, die für den nächsten Krieg bereitstanden. Und ihre Medikamente halfen nichts. Die hatten zu lange schon wirken müssen in Hautcremes und Schweinelendchen. Die anderen starben an Hunger, weil etliche von ihnen den Schlüssel zu den Getreidesilos versteckt hatten. Und sie fluchten Gott,  der ihnen doch das Glück schuldig war. Es war doch der liebe Gott!

    Am fünften Tage
    drückten die letzten Menschen den roten Knopf, denn sie fühlten sich bedroht. Feuer hüllte den Erdball ein, die Berge brannten, und die Meere verdampften, und die Betonskelette in den Städten standen schwarz und rauchten. Und die Engel im Himmel sahen, wie der blaue Planet rot wurde, dann schmutzig braun und schließlich aschgrau. Und sie unterbrachen ihren Gesang für zehn Minuten.

    Am sechsten Tage
    ging das Licht aus. Staub und Asche verhüllten die Sonne, den Mond und die Sterne. Und die letzte Küchenschabe, die in einem Raketenbunker überlebt hatte, ging zugrunde an der übermäßigen Wärme, die ihr gar nicht gut bekam.

    Am siebten Tage
    war Ruhe. Endlich. Die Erde war wüst und leer, und es war finster über den Rissen und Spalten, die in der trockenen Erdrinde aufgesprungen waren.
    Und der Geist des Menschen  irrlichterte als Totengespenst über dem Chaos. Tief unten, in der Hölle, aber erzählte man sich die spannende Geschichte von dem Menschen, der seine Zukunft in die Hand nahm, und das Gelächter dröhnte hinauf bis zu den Chören der Engel.
    Jörg Zink

1
    Es ist nicht so gekommen, wie es sich unsere Eltern und die meisten übrigen Erwachsenen vorgestellt hatten: mit immer schärferen Drohungen von beiden Seiten und gegenseitiger Kriegserklärung und genug Zeit, um sich noch schnell in ein Alpental oder auf eine Mittelmeerinsel zu flüchten.
    Nein. Es kam ganz plötzlich, so plötzlich, daß es viele Leute in Badehosen oder im Liegestuhl überrascht hat. Es kam wie aus heiterem Himmel. Zwar hatte man in den letzten Wochen und Tagen vor der Katastrophe über die wachsende Spannung zwischen Ost und West viel diskutiert. Sogar meine Mutter hatte den Fernseher eingeschaltet, wenn die Nachrichten kamen, was sie sonst nie getan hatte. Aber seit dem Zweiten Weltkrieg war die Lage schon oft gespannt gewesen, und es war trotzdem nichts passiert.
    Die Urlaubs- und Ferienzeit fing gerade an. Niemand wollte gern an Unangenehmes denken und sich darüber den Kopf zerbrechen.
    »Meinst du nicht, wir sollten lieber erst mal zu Hause bleiben, bis sich alles beruhigt hat?« fragte meine Mutter den Vater, einen Tag bevor wir in Urlaub fahren wollten. Meine Mutter war schon immer etwas ängstlich gewesen, was die Politik betraf.
    »Unsinn«, antwortete er. »Da könnten wir lange warten. Spannungen gibt's immer. Die da oben werden sich schon wieder vertragen, egal, ob wir im Urlaub sind oder nicht. Außerdem haben wir uns bei deinen Eltern angemeldet. Sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher