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Freakshow

Freakshow

Titel: Freakshow
Autoren: Jörg Juretzka
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    Jörg  JURETZKA
     
    FREAKSHOW
     
     
    Kriminalroman
     
    Rotbuch Verlag
     
    FÜR CORA UND VERENA
     
    Speziellen Dank an The Vietnam Veterans für »I Walked With A Zombie«
     
    Sämtliche Figuren dieses Romans sind frei erfunden.
     
     
    PROLOG
     
    Qualm stieg aus meinen Radkästen, so hart musste ich aufs Pedal steigen, um die beiden nicht breitseits zu rammen und damit unweigerlich in die Notaufnahme zu schicken. Sie waren aus einem dunklen Waldweg gekommen, urplötzlich, ohne Licht, ohne sich um den übrigen Verkehr zu scheren, und nun jagten sie weiter in die Nacht, zwei Teenager auf einem Scooter, der Junge vorn, das Mädchen fest an ihn geklammert dahinter. Ich machte meinem Schrecken mittels Lichthupe Luft, und das Mädchen löste ihren linken Arm, sonnenbraun und nackt wie ihr ganzer Rücken, drehte sich halb zu mir um und musterte mich allein schon von der Dauer her unverschämt herablassend durch ihr getöntes Visier. Fertig damit, hob sie den Helm leicht an, schob sich den linken Mittelfinger zwischen die Lippen und nuckelte daran herum, bevor sie ihn wieder rauszog und mir spuckefeucht und ausgesprochen steif entgegenreckte.
    Charmant. Ließ mich den Tritt auf die Bremse wenn schon nicht bereuen, so doch als möglicherweise übertrieben umsichtig ansehen.
    Zwei eng zusammenstehende Scheinwerfer erschienen in meinem Rückspiegel, ein weiterer Roller mit einem feisten Hünen vorn und einem Kind hintendrauf zog neben mich, dann vorbei und gesellte sich zu dem Pärchen vor mir. Zweitaktplärren waberte mir entgegen, begleitet vom stechenden Geruch verbrannten Synthetik-Öls. Mein Tacho zeigte mittlerweile wieder achtzig, und sie beschleunigten weiter und weiter davon. Mit den kleinen, quadratischen, sie vom Gesetz her eigentlich auf fünfundzwanzig Stundenkilometer begrenzenden Versicherungskennzeichen an den Hecks ihrer hochgetunten Nähmaschinen.
    Nur ein paar Kids, die ihren Spaß hatten.
    Aus einem unerklärlichen Impuls heraus ging ich vom Gas, bremste, stoppte, zögerte, wendete und fuhr zurück.
     
    1
     
    Ein ungeschälter Fichtenstamm fungierte als Schlagbaum und versperrte, mit Kette und Vorhängeschloss gesichert, die Zufahrt zum Waldweg. Die Motorroller waren einfach dran vorbeigebrettert, die für Fußgänger und Reiter gedachte Öffnung gerade breit genug für sie. Doch nicht für meinen Toyota. Ich hielt an, zögerte erneut. Nichts regte sich im Scheinwerferlicht vor mir. Auch bei Fernlicht nicht. Nur Wald, dunkler, schweigender Wald. Trotzdem schaltete ich die Zündung aus, das Licht, öffnete die Fahrertür, stieg aus. Das Fallen schwerer, letzter Tropfen des letzten Gewitters des vergangenen Abends und fernes, mit viel Wohlwollen an Brandung erinnerndes Autobahn-Rauschen waren die einzigen wahrnehmbaren Geräusche in dieser tropisch heißen, tropisch feuchten Nacht gegen Ende eines weiteren Glutofen-Sommers in der Ruhr-City. Der Himmel war wolkenlos, doch die Luft diesig, die Dunkelheit nahezu vollkommen. Was immer die Halbwüchsigen hier im Wald getrieben hatten, es ging mich nicht das Geringste an.
    Dennoch griff ich durchs offene Beifahrerfenster, klappte das Handschuhfach auf und fand nach einigem Gefummel den zu einer kleinen Rolle gewickelten Sägedraht, den ich - zusammen mit ein paar anderen Werkzeugen - immer dabeihabe. Anderthalb Minuten später war der Schlagbaum hoch.
    Die Gestalt, die mir inmitten einer Wegbiegung ins Scheinwerferlicht hoppelte, war die eines Mannes. Unverkennbar. Was da bei jedem Hopser vorn munter mitschwang, stellte Thüringens stolzestes Produkt glatt in den Schatten, in Länge wie Umfang. Also ein Mann, offenbar nackt, wenn auch von Kopf bis Fuß in braune Tannennadeln gehüllt. Augen, Mund, Hand- und Fußgelenke straff mit Tape umwickelt, sprang er schwankend und irgendwie frenetisch auf der Stelle herum. Ich fuhr dicht heran, stoppte, starrte und hechtete aus dem Wagen. Mit der Fußmatte in Händen rannte ich zu dem Mann und begann auf ihn einzuschlagen. Denn was ich für tote Tannennadeln gehalten hatte, war in Wahrheit höchst lebendig. Ameisen. Große, braune Waldameisen. Tausende davon. Ich wischte, schlug und bürstete sie hinunter, doch der Großteil der bissigen Krabbler machte sich sofort wieder an den Aufstieg, und nun auch an meinen Beinen hoch.
    Blutiger Rotz schäumte dem Typen aus der Nase, und er winselte in erstickten Tönen.
    Ich rannte zurück zum Wagen, griff erneut ins Handschuhfach, diesmal nach dem Teppichmesser.
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