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Taberna Libraria

Taberna Libraria

Titel: Taberna Libraria
Autoren: Sandra Dageroth
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die Hauptstraße von Woodmoore-by-the-Sea und beurteilten das kleine Städtchen deshalb als ausgesprochen trist und langweilig. Solche Leute hatten zumindest recht, was die Straße betraf.
    Fast jedenfalls.
    In der Tat war die lange, dunkelgraue Linie einmal die Hauptstraße gewesen. Bis der Ort gewandert war. Das war natürlich nicht der richtige Ausdruck. Kein Haus bekam schließlich Beine und lief ein Stück, um sich an einem schöneren Platz niederzulassen. Und schon gar keine ganze Stadt.
    Aber trotzdem war Woodmoore mit der Zeit gewandert.
    Aus irgendeinem Grund hatte es die Einwohner mehrere Kilometer weiter nach Süden verschlagen, dorthin, wo das flache Küstenland von Wald abgelöst wurde.
    Und so zog sich eine unscheinbare Nebenstraße von der dunkelgrauen Linie, die zum Meer lief, direkt bis in das Zentrum von Woodmoore. Und alle, die dort lebten, bezeichneten diese Straße, die den Namen Hazel Alley trug, als ihre Hauptstraße.
    Die
richtige
Hauptstraße.
    Trotz des finsteren Wetters herrschte in Woodmoores Fußgängerzone geschäftiges Treiben. Mister Burrows, dem das
Alley Inn
gehörte, stand vor seinem Pub und grüßte die Leute, die vorbeikamen, während er die bunten Glasfenster schrubbte. Fast alle kannte er mit Namen, fast alle waren gute Kunden.
    Zwei junge Frauen, die in ihren dicken Mänteln und mit Schals bis zur Nase auf ihn zukamen, bedachte er mit einem freundlichen, wenn auch etwas distanzierten Lächeln. Diese beiden kannte er nicht. Und eigentlich rühmte er sich stets damit, jeden in Woodmoore zu kennen - ungeachtet dessen, das dies bei über 10.000 Seelen äußerst unwahrscheinlich war.
    Die kleinere und schmalere der beiden blieb vor ihm stehen. "Wuwuwuhuhmmm?"
    Burrows hob die Brauen und ließ den Lappen sinken. "Wie bitte?"
    Die junge Frau sah ihn einen Moment lang irritiert an. Sie hatte große graue Augen und kurze, offenbar schwarz gefärbte Haare, die vom Wind zerzaust waren. Schließlich blitzte Verstehen in ihrem Gesicht auf. Sie zog den Schal bis zum Kinn herunter. Blasse Sommersprossen zierten ihre Stupsnase. "Verzeihen Sie bitte", kicherte sie. "Können Sie uns vielleicht sagen, wie wir zum Buchladen in der Birch Street kommen?"
    Burrows Brauen wanderten noch etwas weiter in Richtung seines Haaransatzes. "Die übernächste Straße links ist die Birch Street. Aber da gibt es keinen Buchladen."
    Die junge Frau bedachte ihn mit einem verschwörerischen Zwinkern. Sie konnte nicht älter als 18 sein. Wenn überhaupt. "Es gibt
noch
keinen." Sie nickte ihm zu. "Herzlichen Dank, Mister."
    Gemeinsam gingen die beiden jungen Frauen weiter. Als sie außer Hörweite waren, traf ein leichter Stoß die Schulter der Schwarzhaarigen. "Das war vorhin nicht ganz richtig, Corrie."
    "Was genau?" Corrie bedachte ihre Begleiterin mit einem leichten Stirnrunzeln.
    "Du hast gesagt, dass es
noch
keinen Buchladen gäbe."
    "Und?"
    "Es gibt dort vielleicht bald
wieder
einen."
    Corrie zog eine tadelnde Grimasse. "Deine Haarspaltereien immer, Silvana."
    Ihre Begleiterin zuckte nur die Schultern. Sie war Corries beste Freundin und gemeinsam mit ihr nach Woodmoore gekommen, um einen Traum zu verwirklichen - ihren eigenen Buchladen. Durch eine Anzeige in der
Times
waren sie auf ein mögliches Objekt aufmerksam geworden und hatten für den heutigen Nachmittag einen Termin mit dem Makler ausgemacht. Und da Woodmoore nicht gerade ein Vorort von London war, hatten sie zusätzlich noch eine Übernachtung im
Woody Inn
, dem augenscheinlich größten Hotel in Woodmoore, gebucht. Zumindest war es das Einzige, das eine Internet-Seite besaß.
    Allerdings hatte Silvana schon auf dem Weg hierher erste Bedenken geäußert; Woodmoore war in ihren Augen ein besseres Dorf und lag so abgeschieden, dass selbst das Navigationsgerät irgendwann erklärt hatte, dass es keinen Weg mehr weiter wusste …
    Die Seitenstraße, die sie schließlich hierher geführt hatte, hatten sie mehr aus Zufall entdeckt.
    Corrie hatte sich jedoch nicht beirren lassen; sie wollte das Haus auf jeden Fall einmal ansehen und sich erst danach um örtliche Gegebenheiten kümmern.
    Bezeichneter Makler, Joseph Hesekiel Watson, wartete also bereits vor dem Haus auf sie und winkte enthusiastisch mit ausgetrecktem Arm, als die beiden gerade in das obere Ende der Birch Street einbogen. Er schien sich seiner Sache entweder sehr sicher zu sein, oder aber er versuchte durch seine gute Laune und einen fröhlichen Redeschwall, seine Nervosität angesichts der
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