Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Taberna Libraria

Taberna Libraria

Titel: Taberna Libraria
Autoren: Sandra Dageroth
Vom Netzwerk:
Prolog
    In den Gängen des unterirdischen Labyrinths herrschte vollkommene Stille. Kein Geräusch, nichts existierte, das die Anwesenheit eines lebendigen Wesens hätte vermuten lassen. Im matten Licht vereinzelter Kerzen in engen Metallkäfigen türmten sich dunkle Kisten an den feuchten Wänden. Viele von ihnen waren rohgezimmert, doch hier und da gab es auch welche, die sehr sorgfältig bearbeitet worden waren. Sie besaßen verzierte, goldene Schlösser und kunstvoll geschmiedete Bänder. Ihr Inhalt war zu kostbar, um ihn in einfachen Behältnissen zu lagern.
    Völlig ohne Leben, wie es zuerst scheinen mochte, war es hier unten jedoch nicht.
    In einer kleinen Kammer am Ende eines schmalen Tunnels brannte eine Kerze.
    Ihr mattes Licht fiel auf einen niedrigen Schreibtisch, der mit Pergamenten und versiegelten Schriftrollen bedeckt war. Ein kleines Tintenfass und mehrere Schreibfedern standen so dicht an seinem oberen Rand, als hätten sie beschlossen, sich gemeinsam in die Tiefe zu stürzen.
    Eine Gestalt saß tief über dem Tisch gebeugt und schrieb.
    Feine, verschnörkelte Buchstaben bedeckten bereits die Hälfte des Blattes, dazu sorgfältig ausgeführte Zahlen, als jäh die Kerzenflamme in der kühlen Luft aufloderte. Ihr Feuer leckte am dürren Docht empor, bis es beinahe fünfmal so hoch reichte wie zuvor.
    Erschrocken fuhr die Gestalt hoch und ließ die Feder fallen. Schwarze Tinte bespritzte das angefangene Pergament mit hässlichen Flecken, die unförmigen Spinnen glichen.
    Gleichzeitig zerriss die Stille.
    Ein tiefes Brummen erfüllte den gesamten Raum.
    Sein Ursprung war nicht auszumachen, aber es schien alles gleichermaßen zu erfassen - den Stein der Wände und des Bodens, den Schreibtisch und die Schriftrollen. Und den Schreiber selbst, der das Vibrieren bis tief in seine Knochen spürte.
    Dann veränderte sich der Ton.
    Das Brummen wurde lauter, höher, schwoll an und ab. Zuerst nur langsam, dann schneller und unkontrollierter. Der Boden begann deutlich zu beben, die Fächer des Schreibtischs klapperten.
    "Hallo?" Der Schreiber versuchte, seine Stimme über das weiter ansteigende Summen zu erheben. "Ist hier jemand?"
    Klirrend zerbarst vor ihm das Tintenfass auf den Steinen unter dem Tisch, während die Federkiele hinterherschwebten und sich auf die vibrierende Tintenlache senkten.
    "Was soll das?" Verwirrt den bebenden Raum betrachtend, zog sich der Schreiber an die Wand neben der Tür zurück. Die fest an ihrem Platz verankerte Kerze brannte noch immer so hell, als zöge sie ihre Kraft nicht aus dem Wachs allein.
    Was ging hier vor?
    Wenn Veron und Amber dahinter stecken, können sie etwas erleben
, fuhr es dem Schreiber durch den Kopf.
Dagegen wird ihnen das Aufrollen der
Endlosen Papyri von Samrod
wie Urlaub vorkommen.
    Oder das Putzen der Glaskuppel.
    Doch diese Gedanken verschwanden sofort wieder, als mit einem Mal ein blaues Licht durch den Teppich vor dem Schreibtisch drang.
    Da begriff er.
    Hastig stürzte er vor und zog den Läufer mit einem Ruck zur Seite.
    Auf dem alten, ausgetretenen Stein darunter zeigten sich die glühenden Umrisse eines komplizierten Symbols, das entfernte Ähnlichkeit mit einem Drudenfuß besaß. Das Leuchten, das den Umrissen entsprang, wurde heller und heller, bis es in einem blauen Blitz an die Decke schoss. Der vormals dumpfe Ton hatte ebenfalls seinen Höhepunkt erreicht und glich nun eher einem Jaulen.
    Der Schreiber wandte geblendet den Kopf zur Seite, in einer Hand noch immer den fleckigen Teppich, und kniff die Augen zusammen.
    Dann war plötzlich alles wieder still.
    Das Licht war verschwunden, wie auch das Lärmen. Die Kerzenflamme flackerte wieder so matt, wie sie es zuvor getan hatte.
    Langsam öffnete der Schreiber zuerst das eine Auge, dann das andere. Ein Lächeln kerbte sich in seine Mundwinkel, während er die beiden Neuankömmlinge betrachtete, die inmitten des Symbols hockten und ihn aus großen Augen anstarrten.
    "Sieht ganz so aus", sagte er, während er mit klappernden Hufen näher trat und sich an seinen Hörnern kratzte, "als wäre
drüben
wieder geöffnet."

Woodmoore-by-the-Sea
    Ein paar Wochen zuvor.

    Die schmale Straße zog sich unter dem ausgewaschenen Himmel entlang bis zum Horizont, wo die grauen Wellen des Meeres mit den Wolken verschmolzen. Ein eisiger Wind fauchte durch die dürren Äste der Büsche, die wie runzelige Zwerge über den schmalen Grünstreifen wachten, der die Fahrbahn von dem Gehweg trennte.
    Manche hielten dies für
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher