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Taberna Libraria

Taberna Libraria

Titel: Taberna Libraria
Autoren: Sandra Dageroth
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mit den Laternen unter dem Fenster.
    Und dennoch hatte sie das Gefühl gehabt, ertappt worden zu sein. Ganz so, als habe die Gestalt genau gewusst, dass sie beobachtet wurde. Und von wo aus.
    Im selben Moment sah sie wieder die huschenden Bewegungen im Regen, kleine, tiefschwarze Schatten. Einer davon streifte den Fenstersims vor ihr, und Corrie bildete sich für einen kurzen Moment ein, einen pelzigen Körper von der Größe einer Orange gesehen zu haben, mit langen, dünnen, geknickten Beinen und Auswüchsen auf dem Kopf. Wie riesige Ohren …
    "Was für eine blühende Fantasie", murmelte sie. Wahrscheinlich bildete sie sich als Nächstes noch ein, dass dort unten kein Mensch, sondern der Teufel selbst stand. Vermutlich war es doch besser, wenn sie versuchte, noch etwas Schlaf zu bekommen. Doch wirklich müde fühlte sie sich nicht.
    Unschlüssig sah sie sich im dunklen Zimmer um. Normalerweise hatte sie immer, wirklich immer, ein Buch dabei, egal wo sie hinging. Nur diesmal nicht. Also setzte sie sich nur auf die Bettkante und trank einen Schluck aus der Eisteeflasche, die ihr Silvana dagelassen hatte. Ihr Blick fiel erneut auf den halbgeschlossenen Rollladen und die Regentropfen, die an der Scheibe hinunterliefen.
    Ob er wohl noch da stand?
    Warum sie dieser Gedanke noch immer beschäftigte, konnte sie selbst nicht sagen.
    Schließlich war es ja nur ein Mann im Regen.
    Nichts Besonderes also.
    Auch nicht um vier Uhr morgens …
    Einen Blick konnte sie ja noch wagen, bevor sie zurück ins Bett ging.
    Als Corrie wieder hinaus in den dichten Regen sah, war die Gestalt jedoch verschwunden. Das Einzige, was sich dort draußen noch bewegte, war ein großer, grauschwarzer Hund, der an den Geschäften vorbei die Straße hinablief. Corrie sah nach rechts und links, doch der Regen ließ keine weite Sicht zu.
    Also doch heimgegangen, dachte sie im Stillen. Nur ein kurzer Ausflug in den Regen.
    Eine Weile stand sie noch so am Fenster und starrte gedankenverloren hinunter, bevor sie mit einem Gähnen den Rollladen ganz hinunterließ und sich wieder ihrem Bett zuwandte. Die Bettdecke bis zur Nase gezogen, dauerte es auch nicht allzu lange, dann war sie wieder in die Welt der Träume geglitten. Und in die sich diesmal auch ein großer, zotteliger Hund einschlich, der huschende Schatten jagte …

    Am nächsten Morgen im Frühstücksraum des kleinen Hotels erzählte Corrie Silvana von ihrem seltsamen Erlebnis, während sie schwungvoll ihr wachsweiches Ei köpfte. Das behagliche Feuer, das im Kamin direkt neben ihnen knisterte, unterstrich ihre Geschichte wie ein geschickt eingesetzter Spezialeffekte-Techniker.
    Silvana goss sich noch eine Tasse Tee ein. "Und er ist wirklich einfach so verschwunden?"
    Corrie schürzte die Lippen. "Das will ich nicht behaupten. Der Regen war zum Schluss so dicht; vielleicht ist er einfach nur in eine Seitengasse abgebogen, die ich nicht gesehen habe."
    "Und die gibt es hier ja wahrlich genügend."
    "Aber seltsam ist es schon. Was hat der Typ da unten die ganze Zeit gemacht?"
    "Hast du nicht gesagt, er hätte geraucht?"
    Corrie zog eine Grimasse. "Muss man dazu raus in den strömenden Regen?"
    "Vielleicht darf er zuhause nicht rauchen?"
    "Reicht es dann nicht, einfach nur aus der Haustür zu gehen?"
    Silvana zuckte die Schultern. "Weißt du, ob er nicht ganz in der Nähe wohnt und nur grad ein paar Schritte gehen wollte?"
    "Möglich", gab Corrie zu und stieß mit dem Löffel leicht in das Eigelb, das wie eine übervolle Blase platzte und auseinander floss. "Aber seltsam finde ich das Ganze schon. Du denn nicht?"
    Gerade als Silvana zu einer Antwort ansetzen wollte, kam Mrs. Phenom, die Besitzerin des
Woody Inn
an ihren Tisch und lud ihnen goldbraune, dicke, dampfende Pfannkuchen auf ihre Teller. "Hatten Sie beide eine angenehme Nacht?", fragte sie freundlich. "War ja ein furchtbarer Regen. Ich für meinen Teil bin davon wach geworden."
    "Ja, ich auch", sagte Corrie und gähnte bestätigend. "Und ausgerechnet diesmal hatte ich nichts zum Lesen dabei."
    "Also ich stricke dann immer", erwiderte Mrs. Phenom. "Socken. Ich glaube, es gibt kaum noch jemanden hier in Woodmoore, der noch kein Paar meiner Socken besitzt. Wenn ich alle behalten hätte, die ich in den vergangenen Jahren so gestrickt habe, würden sie ein eigenes Motel bewohnen." Sie kicherte. "Da fällt mir ein, haben Sie beide vielleicht vor, länger hier in Woodmoore zu bleiben? Vielleicht kann ich Ihnen dann bei ihrer Abreise auch noch ein
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