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Taberna Libraria

Taberna Libraria

Titel: Taberna Libraria
Autoren: Sandra Dageroth
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Hotelzimmers, ohne dass sie genau sagen konnte, was sie geweckt hatte. Regungslos blieb sie liegen und lauschte. Vor ihrem Fenster jaulte eine neue Böe auf wie ein Rudel Wölfe und hetzte dicke Tropfen gegen die Scheibe. Das Rasseln war beinahe ohrenbetäubend.
    "Ist ja herzallerliebstes Wetter, selbst für England", murmelte Corrie und schielte auf die Leuchtziffern ihres Reiseweckers. Viertel vor vier. Mit einem leisen Aufstöhnen rollte sie auf den Rücken zurück und zog sich die Bettdecke über den Kopf.
    Draußen rüttelte der Wind aufheulend am Fensterrahmen, als wolle er Corries Bemühungen, ihn zu ignorieren, wissentlich zunichtemachen.
    Unter der Bettdecke verdrehte Corrie die Augen. "Du mieser Stinkstiefel! Als wäre mein Tag nicht schon anstrengend genug gewesen. So ein Haus kauft man ja nicht ständig …"
    Unbeeindruckt prasselte es erneut gegen die Scheibe - diesmal klang es fast nach Hagel.
    Mit einer frustrierten Grimasse setzte sich Corrie im Bett auf. "Na warte", drohte sie und starrte finster zum Himmel. "Hier wird es ja wohl irgendwo einen Rollladen geben."
    Kurzentschlossen schwang sie die Beine über die Bettkante und tappte über den kratzenden Teppich zum Fenster. Ihre Hand tastete in der Dunkelheit nach dem Gurt an der Wand. Dabei fiel ihr Blick automatisch zu den leuchtenden Schildern der Läden auf der gegenüberliegenden Seite - und zu der Gestalt, die dort bewegungslos verharrte.
    Corrie blinzelte zweimal, bevor sie wieder hinaussah. Aber sie hatte es sich nicht eingebildet. Im überdachten Eingang zu dem kleinen Elektro-Laden stand jemand. So unbeweglich wie eine Statue. Nur das deutliche Aufglühen einer Zigarette durch den dichten Regen hindurch verriet, dass es sich nicht um irgendein unbelebtes Objekt handeln konnte.
    Was machte jemand zu dieser nachtschlafenden Zeit und bei diesem Wetter ganz alleine draußen?
    Corrie schob sich langsam näher an die Scheibe, in der Hoffnung, noch etwas mehr erkennen zu können. Der Fremde hatte einen dunklen Teint, von dem sich die schwarzen Haare und der Bart nur undeutlich abhoben - so viel ließ das flackernde, bunte Licht an Sicht durch den Regen zu.
    Hatte der Jemand möglicherweise einen Hund dabei, der aus irgendeinem Grund ausgerechnet jetzt hinaus musste? Corrie kniff suchend die Augen zusammen, doch sie konnte beim besten Willen nichts dort unten erkennen, das wie ein Hund aussah. Die Gestalt war vollkommen allein.
    Vielleicht war es einfach nur jemand, der nicht schlafen konnte, weil der Regen so laut war? Nur würden ihr mindestens hundert bessere Dinge einfallen, die sie machen würde, anstatt hinaus in diese Sintflut zu gehen.
    Corrie drückte ihre Nase nun beinahe an der kalten Fensterscheibe platt. Sie war schon immer von Natur aus neugierig gewesen und auch jetzt wollte sie wissen, ob dort unten noch etwas passierte.
    Doch sie wurde enttäuscht.
    Ruhig und bewegungslos verharrte die Gestalt, wo sie war. Und wäre das vorige Aufglimmen der Zigarette nicht gewesen, dann hätte Corrie nicht einmal mit Sicherheit sagen können, ob dort nicht möglicherweise doch nur eine Werbefigur aus Kunstguss aufgestellt war.
    Der Regen prasselte mit neu erwachter Intensität gegen die Scheibe und Corrie ließ den Rollladen noch ein Stück weiter herunter, gerade so weit, dass sie noch hinausblicken konnte. Unter dem Fenster auf der Straße glaubte sie plötzlich, huschende Schatten zwischen den dichten Regenbändern erkennen zu können, die zu kontrolliert in ihren Bewegungen waren, um bloße Spiegelungen oder eine andere optische Täuschung sein zu können.
    Ihr Blick wanderte zurück zu der regungslosen Gestalt im Eingang.
    Daheim in London wäre ihr so etwas überhaupt nicht komisch vorgekommen - eine einsame Gestalt mitten in der Nacht im Regen auf der Straße. Dort war es eher ungewöhnlich, wenn man vom Fenster aus in den Straßen einmal
niemanden
gesehen hätte … Aber hier, in diesem kleinen Ort, hatte Corrie einfach das Gefühl, dass es ungewöhnlich war … und dass diese Gestalt nicht ohne Grund dort unten stand.
    Unter ihr wandte der Mann unvermittelt den Kopf und sah direkt in ihre Richtung, als habe er ihren Blick bemerkt oder Corries Gedanken gelesen.
    Erschrocken zuckte Corrie vom Fenster zurück und stolperte rückwärts gegen das Bett. Ihr schlug das Herz bis zum Hals.
    Nur ein Zufall
, versuchte sie sich zu beruhigen.
Von dort unten kann dich niemand durch den Regen und die Dunkelheit hier oben am Fenster sehen. Nicht einmal
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