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syrenka

syrenka

Titel: syrenka
Autoren: Elizabeth Fama
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verursachte ihr eine Gänsehaut auf den Armen, darum suchte sie sich ein Plätzchen im Schutz eines Baumes. Wie viel Feuchtigkeit die Lautsprecher und Verstärker wohl aushielten, überlegte sie. Und wie viel musste es regnen, bis das Japanpapier zerfloss?
    Jetzt trafen ihre Mitschüler auf dem Parkplatz ein. Unter Gelächter purzelten sie aus den Autos, deren dröhnende und scheppernde Radios den vergleichsweise ruhigen Song der Band übertönten. Hester lehnte sich gegen den Baumstamm. Wie ein Vorhang floss ihr Haar zu beiden Seiten ihres Gesichts herab.
    Als sie aufsah, sah sie Peter mit Jenn und Claire auf sich zukommen. Peter schob seine Brille hoch und lächelte. Hester klemmte ihr Haar hinter die Ohren.
    Peter anzusehen war wie ein Blick aus dem Fenster ihres Zimmers: Sie kannte jeden Baum und jedes Nest in jedem Baum, jeden Ziegel auf dem Nachbardach, die Wiese und die Blumen, jeden Farbklecks in jeder Jahreszeit. Sie kannte sogar das Davor und das Danach: seine Zähne, vor und nach der Zahnspange, seine Brille, von der sie, als Peter sie neu hatte, scherzhafterweise behauptet hatte, sie liege irgendwo zwischen dem Look von Buddy Holly und dem eines Bio-Strebers, und auf deren linkemGlas sich jetzt ein Kratzer befand, weil sie ihm ins Hafenbecken gefallen war – und er hatte danach tauchen müssen, um sie wiederzubekommen. Peter schien sich jedes Mal zu freuen, wenn er Hester sah. Und Hester hatte sich vorgenommen, ihm eines Tages zu sagen, wie sehr sie das in all den Jahren getröstet hatte.
    »Hallo, Jenn, hallo, Claire«, sagte Hester.
    »Hallo, Hester«, antwortete Jenn. »Sind diese Laternen nicht unglaublich romantisch?«
    »Sie sind einfach wunderschön«, stimmte Claire schwärmerisch zu. »Da hofft man doch, dass Mr. Perfect vorbeikommt und einen so richtig umhaut.«
    »Die Laternen sind sehr hübsch«, rang Hester sich ab.
    »Wehe, wenn ihr wieder nicht tanzt, ihr beiden«, ermahnte Jenn Hester und Peter, dann zog sie Claire am Ärmel davon.
    »Viel Spaß!« Claire winkte zum Abschied.
    Während sich die beiden Mädchen mühelos in das Partygetümmel mischten, sah Hester ihren wippenden Pferdeschwänzen hinterher. »Warum machen sie das immer?«
    »Was?«
    »Dich bei mir abstellen und dann abhauen. Uns verkuppeln wollen.«
    »Ach, ist doch egal. Sie wissen einfach nicht, dass der Zauber geplatzt ist, wenn man mitgekriegt hat, wie der Typ an seinem achten Geburtstag geschossartig die doppelte Schokoladentorte auskotzt.«
    Hester lachte. »Oder wenn man zusammen für die Prüfungen am Ende des Schuljahrs lernt und das Mädchen seit einer Woche dasselbe Sweatshirt trägt und seit drei Tagen nicht mehr geduscht hat.«
    Peter schob wieder seine Brille nach oben. »Ehrlich gesagt, Hester, als Typ findet man das gar nicht so eklig.« Er zog eine schmale Geschenkschatulle aus seiner hinteren Hosentasche. »Ich habe hier etwas für dich.«
    »Wie kommst du denn dazu?«
    Er zuckte die Schultern. »Nur so. Eine Kleinigkeit, damit dir deine Mähne nicht immer ins Gesicht fällt. Ist dir eigentlich klar, dass du dich hinter deinem Haar versteckst?«
    Sie hob den Deckel der Schatulle. In Seidenpapier gebettet lag eine große silberne Haarspange in Form einer Muschel darin. Ihre glatten, bauchigen Windungen mit den Rippen, die an Treppenstufen erinnerten, verjüngten sich zu einem spitz zulaufenden Horn.
    »Es soll wohl eine ›Wendeltreppe‹ sein«, erklärte Peter. »Ich finde, es ist ziemlich gut getroffen.«
    »So etwas sehe ich zum ersten Mal.« Hester schlang ihre Arme um Peter. »Ich werde dich ganz schön vermissen«, flüsterte sie ihm ins Ohr.
    »Ich dich auch«, antwortete er. Er drückte sie kurz an sich, dann ließ er sie wieder los. »Aber ich bin nur eine Stunde weit weg.«
    »Du wirst dich um dein Studium kümmern müssen.« Hester reichte ihm die leere Schatulle und er steckte sie wieder in seine Hosentasche. »Und du wirst neue Freunde am College finden.«
    Sie nahm die Spange zwischen die Zähne und begann sich das Haar zurückzustreichen.
    Er holte Luft, als ob er etwas sagen wollte, schwieg dann aber doch.
    Hester beobachtete, wie er auf das Meer hinaussah. Im schwächer werdenden Licht hatte es dieselbe Farbe wie seine Augen.
    »Was ist?«, fragte sie und steckte die Spange fest.
    »Ich habe nur gerade daran gedacht, dass du nächstes Jahr auch aufs College gehen wirst.«
    »Stimmt.«
    »Und irgendwann wirst du dann eine berühmte Historikerin sein, die nie mehr ihren Fuß hierher setzen
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