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syrenka

syrenka

Titel: syrenka
Autoren: Elizabeth Fama
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fuhr sich durchs Haar. »Du bist echt nicht ganz dicht. Ich wollte nur mit dir zusammen sein und dich ein bisschen aufmuntern – aber ich hatte vergessen, was für eine eisige Zicke du bist.«
    »Hau ab!«, wiederholte sie.
    »Ich habe gesehen, wie du Peter angebaggert hast. Der Schlappschwanz interessiert sich wirklich für dich – aber das hat ihm bisher auch nicht viel gebracht, kann man nur sagen.«
    Jetzt warf sich Hester mit aller Kraft gegen ihn und schob ihn aus der Höhle hinaus. »Hau ab!«, schrie sie noch mal.
    Bevor Joey endlich ging, stolperte er und rief ihr Beleidigungen zu, die sie aber durch den strömenden Regen nicht hören konnte. Hesters Herz raste vor Adrenalin. Ein paar feuchte Haarsträhnen hatten sich gelöst und klebten an ihrem Hals. Sie atmete tief ein, klemmte die Strähnen hinter ihre Ohren und tastete nach der Muschelspange. Sie war noch da.
    Sie stand mit dem Rücken zum hinteren Teil der Höhle. Ihre Augen sollten sich nicht an die Dunkelheit gewöhnen, für den Fall, dass der Unbekannte und seine Begleiterin nur spärlich bekleidet waren.
    »Keine Bange«, rief sie über ihre Schulter. »Sobald der Regen ein bisschen nachlässt, gehe ich. Versprochen.«
    »Mit wem sprechen Sie?«, fragte die Stimme unsicher.
    Was für ein komischer Kauz! »Gibt es hier vielleicht noch mehr Höhlenmenschen?«
    Eine lange Pause entstand. Man hörte keine Küsse, kein schweres Atmen, kein Stöhnen und keine Bewegung. Nur Stille.
    Wenn der Regen nur endlich aufhören würde, dachte Hester. Sie wollte nach Hause, ihren Schlafanzug anziehen und sich mit einem dicken Wälzer ins Bett zurückziehen und darauf lauschen, wie der Regen an ihr Fenster schlug.
    »Ich bin kein Misogyn«, sagte die Stimme nach einer Weile.
    »Es ist mir völlig egal, was du bist.« Im selben Moment tat es Hester leid, dass sie so unhöflich war. Schließlich hatte er ihr geholfen. Ob sie sich entschuldigen sollte? Andererseits wollte sie auch keine Unterhaltung mit ihm beginnen.
    Sie hörte ein leises Schnauben. »Ich bin schon betrunkenen Seeleuten aus Liverpool begegnet, die weniger gewöhnliche Ausdrücke benutzten.«
    Hester wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie hatte sich immer an die Ermahnung ihrer Eltern gehalten, vor ihrem jüngeren Bruder Sam nicht zu fluchen. Aber unter ihren Mitschülern hatte sie sich nie einen Zwang angetan. Diese Stimme war die Stimme eines jungen Mannes, jung genug, um sich darüber nicht aufzuregen – aber andererseits doch irgendwie ... ungewöhnlich. Er sprach langsam und bedächtig, anders als alle anderen. Als ob er einmal auf eine elitäre Privatschule gegangen wäre.
    »Auch wenn ich zugeben muss«, unterbrach er Hesters Gedanken, »dass die Grobheit des Wortes ›verfickt‹ neben dem gelehrten ›Misogyn‹ meine Aufmerksamkeit erweckt.«
    Antiquiert! So klang er. Allerdings musste Hester sich eingestehen, dass sie es irgendwie anziehend fand: seine gemessene Wortwahl und die sonore Stimme, die so melodisch war, dass sie einen warmen Ton zu hören glaubte, wenn er lächelte. Ihre Neugier übermannte sie. Sie drehte sich um und spähte in die Dunkelheit, sah aber nichts. Und dann wurde ihr klar, dass seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt waren und sie ganz in der Nähe des schwachen Lichteinfalls am Höhleneingang stand. Er konnte also erkennen, dass sie ihn zu sehen versuchte. Sie wandte sich wieder um.
    Der Regen wurde schwächer. Hester wusste, dass es komisch war, wenn sie noch länger blieb. Und eigentlich hätte ihr ein fremder Mann in einer Höhle ohnehin Angst einjagen müssen – angenehme Stimme hin oder her.
    »Ich sollte jetzt gehen«, sagte Hester.
    »Das tut mir leid zu hören«, antwortete die Stimme mit einer unerwarteten Aufrichtigkeit, die Hester in Erstaunen versetzte.
    »Sind Sie ...«, begann sie. Unwillkürlich schlug auch sie einen anderen, höflicheren Ton an. »Sind Sie eigentlich allein dort hinten?«
    »Ich habe nie behauptet, in Begleitung zu sein.«
    »Nicht?« Sie versuchte sich die genauen Worte ins Gedächtnis zu rufen, mit denen er Joey geantwortet hatte, und überlegte, ob er die Wahrheit sagte. »Na, wie auch immer, danke, dass Sie mir geholfen haben, diesen Idioten loszuwerden.«
    Sie spürte ein kurzes Zögern, dann sagte er: »Auf Wiedersehen.«

Bei Hochwasser lag die Buhne fast vollständig im Wasser. Bei Niedrigwasser konnte man sie bis zum Ende entlanglaufen, wenn auch unter Schwierigkeiten. Ezra suchte sich einen Weg über die
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