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syrenka

syrenka

Titel: syrenka
Autoren: Elizabeth Fama
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Syrenka liebte Pukanokick.
    Schon lange war sie ihm mit den Augen gefolgt, ohne jemals das Wort an ihn zu richten. Weder hatte sie gewagt, sich ihm zu nähern noch sich zu zeigen. Ein ganzes Jahr lang, in dem sie für ihn unsichtbar geblieben war, hatte sie sich mit seiner Sprache vertraut gemacht, mit seinen Gewohnheiten, seinen Träumen, seinem Wesen. Je besser sie ihn kannte, umso mehr liebte sie ihn. Und je mehr sie ihn liebte, umso mehr sehnte sie sich nach ihm.
    Auch unter den Frauen seines Stammes blieb der älteste Sohn des Häuptlings nicht unbemerkt. Eine junge Keegsquaw, ein stilles Mädchen, hatte ebenfalls ihr Auge auf ihn gerichtet. Syrenka erkannte es an der Art, wie sie ihn anlächelte, und dass sie sich mit ihrer Arbeit an den Strand der Meeresbucht setzte, während Pukanokick sein erstes Kanu, das er selbst baute, aushöhlte und im Feuer härtete. Und wie hätte sich dieses Mädchen auchnicht in ihn verlieben sollen? Sein glänzendes schwarzes Haar schimmerte in der Morgensonne bläulich, seine Haut war von einem feinen Schweißfilm überzogen, und seine Augen leuchteten, während er mit verbissenem Eifer an seinem Boot arbeitete. Hinter dem schüchternen Schweigen der Keegsquaw vernahm Syrenka den verzweifelten Ausruf dessen, was sie wirklich empfand: Auch dieses Mädchen liebte Pukanokick. Sie sehnte sich nach einem Lächeln, das nur ihr galt. Sie wollte seine geheimsten Gedanken teilen; wollte erleben, wie er eines Tages ihre schönen Söhne auf seine Schultern hob und ihre nackten, warmen Füße an seine Brust drückte. Sie wollte mit ihm alt werden. Und sie wartete darauf, dass er sie von der Leere erlöste.
    Syrenkas glühende Sehnsucht entzündete sich zu einem Feuer. Von nun an verbrachte sie ihre gesamte Zeit unweit des Ufers und hörte nicht auf ihre Schwestern, die sie anflehten, mit ihnen in die Tiefe zu kommen, wo sie in Sicherheit war und wohin sie gehörte. Doch Syrenka ertrug es nicht, dort zu sein.
    An dem Tag, als Pukanokick sein Boot vollendete, halfen ihm sein jüngerer Bruder und der Bruder seiner Mutter, das im Feuer gehärtete Kanu zu Wasser zu lassen. Sie sahen zu, wie er in die Bucht hinauspaddelte, und sie jubelten und sprangen vor Stolz in die Höhe, als sie sahen, wie leicht das Kanu dahinglitt und wie ruhig es im Wasser lag, trotz der starken Dünung, die an diesem Tag herrschte, und selbst dann noch, als Pukanokick aufstand und es absichtlich umzukippen versuchte. Ein Mundwinkel der breiten Lippen der Keegsquaw hob sich in lautloser Freude, während sie so tat, als bohrte sie Löcher in steinerne Gewichte. All dies beobachtete Syrenka aus der Deckung eines mit Algen bewachsenen Felsens.
    Doch früh am nächsten Morgen war die Keegsquaw nicht da. Auch Pukanokicks Bruder und sein Onkel blieben fort. Pukanokick war allein, als Syrenka sich in seinem Fischernetz verfing. Der Rhythmus, mit dem er das Paddel in das dunkle Wasser eintauchte und seinen knienden Körper hob, um sich einen Herzschlag lang in den stillen Morgen zu recken, hatte sie abgelenkt, als sie mit nur kurzem Abstand hinter dem Kanu her geschwommen war. Sie hatte vergessen, dass er am Abend zuvor ein Netz ausgelegt hatte, das auf geschickte Weise am Grund von Steinen gehalten wurde und an der Oberfläche von hölzernen Schwimmern; bis sie sich unvermittelt in dem Geflecht verfing und es durch überraschtes umsichschlagen fest um ihren Fischschwanz wickelte.
    In höchster Eile hatte sie sich schon fast wieder befreit, als er sein Boot wendete und es an die Stelle über dem Netz lenkte. Ihr dichtes weißes Haar umwallte sie wie eine Blüte, als sie vornübergebeugt an ihrem Fischschwanz zerrte und den kühlen Schatten seines Kanus über ihre Haut gleiten spürte. Syrenka sah empor und ihre Blicke begegneten sich. Pukanokicks Augen waren schwarzbraun – die Farbe einer Kastanie, die auf den Wellen tanzt. Ihre eigenen Augen würden ihn erschrecken, das wusste Syrenka. Sie sah, wie er einatmete. Doch er griff nicht nach seinem Knüppel, obwohl er das hätte tun können. Er langte auch nicht nach seinem Bogen. Er sah sie einfach nur an.
    Syrenka wandte sich erneut dem Netz und ihrem Schwanz zu. Sie holte aus und fuhr mit der Flosse an ihrem Handgelenk über die letzten Maschen, um sich freizuschneiden. Dann sah sie wieder empor und tauchte, mit hochgezogenen Schultern und das Gesicht zur Seite gewendet, langsam aus der Tiefe auf.
    Mit der Wange durchstieß sie die Oberfläche. Pukanokick wich nicht zurück. Sie
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