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syrenka

syrenka

Titel: syrenka
Autoren: Elizabeth Fama
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feuchte Schutzpapier den Inhalt verderben konnte, entfernte er es rasch.
    »Ah, ein Buch«, bemerkte Olaf. »Wir haben zu Hause nur die Bibel. Ich nehme an, dieses ist für die Universität?«
    »Es ist ein Journal. Ein Buch mit leeren Seiten.« Er zeigte es Olaf.
    »Sie sind Schriftsteller, Sir?«
    »Ich bin Forscher, ein Wissenschaftler in der Ausbildung. Ich interessiere mich für Botanik, Zoologie und Meeresbiologie. Aber wenn ich zu Hause bin, beschäftige ich mich viel mit der Entstehung von Legenden und mit Fabelwesen. Dieses Journal ist eine Art Notizbuch, in dem ich Beobachtungen festhalte und Skizzen von allerlei Dingen des Meeres anfertige, die die Existenz solcher Geschöpfe belegen könnten.«
    »Fabelwesen.« Olafs Miene erschlaffte plötzlich, bekam einenteigigen Ausdruck. »Sie sprechen nicht zufällig von Nixen und Meerjungfrauen? Von Sirenen?«
    »Doch, genau davon«, bestätigte Ezra. »Allerdings lasse ich es nicht allzu viele Menschen wissen. Für den uneingeweihten Betrachter soll es im besten Fall nach einem nutzlosen Zeitvertreib aussehen. Und im schlechtesten nach Irrsinn. Ich fürchte, jetzt haben wir gegenseitig ein Geheimnis zu wahren, Mr. Ontstaan.« Er lächelte, aber Olafs Miene blieb versteinert.
    »Mr. Doyle, Sie sollten sich von diesen Dingen fernhalten.«
    »Dazu ist es zu spät, fürchte ich. Schließlich habe ich derlei Geschichten schon aufgesogen, bevor ich sprechen konnte, durch die Kunden meines Vaters, beim gemeinsamen Abendessen und vor dem Kamin. Aus wissenschaftlicher Sicht ist das Faszinierende daran, wie übereinstimmend diese Geschichten sind und wie beständig. Bedenken Sie, Mr. Ontstaan: Selbst bei den Indianern gibt es mündliche Überlieferungen. Wie konnten sie unabhängig von den ausländischen Kaufleuten und den hiesigen Seeleuten und Fischern auf dieselben Beschreibungen kommen?«
    »Mr. Doyle, könnten Sie sich vorstellen, heute Abend zum Nachtmahl in mein Haus zu kommen?«
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber ich bin leider verhindert. Ich möchte die Anzahl der Weichtiere und der Krustentiere herausfinden, die im Bereich der Hochwassermarke am Rande der Felsen leben. Ich habe die Theorie entwickelt, dass das reichliche Nahrungsangebot der Grund für die häufigen Sichtungen von Sirenen in der Bucht ist.« Er zuckte hilflos die Schultern. »Ich bin ein Knecht der Gezeiten.«
    »Wenn Sie mir erlauben, Sir, meinen Teil dazu zu sagen: Ich würde Sie gern von dieser gefährlichen Vorliebe abbringen.«
    Ezra betrachtete Olaf nun etwas genauer – seine gegerbte Haut und seine müden Augen. Ein vom Leben verbrauchter Mann, dessen Kleingeistigkeit Ezra noch das letzte Vergnügen ausreden würde, wenn er es denn zuließ.
    Ezra neigte den Kopf. »Haben Sie herzlichen Dank für die Einladung. Und meine Empfehlung an Mrs. Ontstaan.« Damit wandte er sich ab und lief mit schnellen, weit ausholenden Schritten zum Strand.

Hester suchte sich einen Weg zwischen den zahllosen flackernden Japanlaternen hindurch, die über der Wiese des oberhalb des Strandes gelegenen Picknickgeländes leuchteten. Im allmählich nachlassenden Licht des Abends sahen sie wirklich zauberhaft aus, musste sie zugeben. Wie hier und da hingestreute honigfarbene Sterne an einem nächtlichen Himmel. Für Mitte Juni war es kühl, und während winzige Regentropfen ihre Arme benetzten, hegte Hester die schwache Hoffnung, dass das Wetter – zum Schaden der anderen, wie sie natürlich wusste – eine willkommene Lösung der Angelegenheit bieten würde. Sie war nur gekommen, weil Peter sie darum gebeten hatte und er die Schule bald verließ. Sie würde das tun, was sie auf jeder Schulparty tat: bei dröhnender Musik mit ihm plaudern – oder besser: sich mit ihm anschreien –, mit ein paar anderen Mauerblümchen ein paar Gläser Limonade trinken, darauf achten, dass sie nicht über irgendwelche Pärchen stolperte, die in dunklen Ecken Körpersäfte austauschten, und sich von Joey Grimani fernhalten, der aufSchulpartys allem nachstellte, was über zwei X-Chromosomen verfügte.
    Die Band im Pavillon hatte ihre Anlage nun aufgebaut. Die Gitarristen begannen ihre Instrumente zu stimmen und die Verstärker einzustellen. Zum Aufwärmen spielten sie einen langsamen Song. Hester sah auf ihre Uhr: Fünf Minuten zu früh. In ihrem Eifer, die Party schnell hinter sich zu bringen, war sie paradoxerweise als Erste erschienen. Bislang hatte der feine Sprühregen die Laternen zwar noch nicht ausgelöscht, aber er
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