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Surf

Surf

Titel: Surf
Autoren: Daniel Duane
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und sah weg, «sie sind zu intim. Man überfällt sie regelrecht, wenn man da umherläuft und allen möglichen Kram sammelt. Nein», sagte er und blinzelte wieder in die Ferne, «ich muss nichts sammeln … oder benennen.»
    Da wir genug gesagt hatten, standen wir eine Weile still da, nickten jeder mit dem Kopf, und dann zog er zum Abschluss die Augenbrauen hoch und machte sich auf zu seinem Spaziergang allein am Strand; Wind und Wasser leckten am Sand, in der Luft lag Rauch von den wenigen ersten Treibholzfeuern am Strand. Vor den kleinen Apartments lagen lauter Blumenkästen und Dreiräder, und eine Reihe neuer kleiner Palmen stand vor der Tür der Malerin. In einem alten braunen Chrysler tranken zwei junge Männer mit schwarzen Sonnenbrillen Bier, ohne ein Wort zu sagen, auf dem Rücksitz lagen zwei Surfboards. Ich lehnte mich ans Geländer und stellte mir vor, vermutlich genau wie sie, dass große Wellenkämme vom Horizont heranrollten, eine für die Jahreszeit untypische Dünung – als würde man in den Tropen an Schnee denken. Unten am Strand breitete ein Mann in einem schwarzen Kimono mit rotem Gürtel eine Decke aus und legte ein Kampfsportschwert und einen Stock parallel zueinander an eine Seite. Eine weitere fünfzehn Zentimeter hohe Welle überspülte den Sand und floss wieder ab. Der Fahrer des Chrysler schaute in sein Bier. Ich streckte mich und sah den Ninja unter mir dem Land zugewandt mit gespreizten Beinen dastehen, die Fäuste geballt, tief atmend, als wolle er seinen Mut sammeln. Plötzlich sprang er in die Luft, drehte sich gen Meer und trat mit beiden Füßen aus. Als er landete, stieß er jede Faust hart nach vorn und hielt dann abrupt inne. Eine Frau führte vor ihm ihren Dobermann im Sand Gassi.
    Die üblichen ernsten Gespräche hier drehten sich um die Brandung, und in einem dunkelroten Chevrolet Pick-up beobachtete ein dicker Mann mit schwammigem Gesicht und leeren Augen durch ein am Armaturenbrett montiertes Teleskop eingehend ein am Wasser liegendes Paar. Dann ging seine Frau barfuß auf das Auto zu, sehr braun mit schönem grauem Haar und verbissen-gelassenem Schritt. Sie griff in den Wagen und schnappte sich ein Fernglas; er sagte nichts, sondern sah unverwandt weiter durch sein Teleskop. Allein ging sie zu der Holzbank, saß dort mit untergeschlagenen Beinen und beobachtete dann auch die Leute. Aber während ihr Blick schnell und ungeduldig umherwanderte, blieb seiner an dem Paar hängen – wahrscheinlich sah er die beiden ebenso gut wie sie einander. Als ich mich zum Gehen wandte und an einem gelben Bungalow, mit abgeblätterter Farbe, mit Topfpflanzen und einer kleinen, windbetriebenen Holzmöwe, vorbeikam, schlug der Fahrer des Chrysler mit der Hand auf das Armaturenbrett und verfluchte den ruhigen Pazifik. Es war ein stahlblauer Sonnenuntergang mit einem Hauch Violett; zwei Frachter zeichneten sich schwarz vor einem roten Streifen am Himmel ab, und am Horizont standen ein paar Wolken wie geheimnisvolle, zeitlose Inseln, Berge, Türme.
    Die Studiotür der Malerin ging quietschend auf, und da stand sie neben einem ausgeräumten Aktenschrank auf ihrer Zementveranda. Wir hatten im vergangenen Monat ein paar Male miteinander gesprochen, und ich mochte sie inzwischen sehr.
    Ich fragte sie, wie es ihr ginge, und sie wischte eine Hand an ihrer farbbeklecksten Jeans ab, wusste noch nicht recht, welche Version sie mir erzählen sollte. «Oh», sagte sie mit einem Blick zum Himmel, «ich muss morgen einen kleinen Eingriff vornehmen lassen. Nichts Großes, nur … Es geht mir gut.» Sie lächelte absurd hinter ihrer Sonnenbrille; schlüpfte mit ihren langen Füßen in rosa Slipper, ehe sie auf den Bordstein trat.
    «Also», sagte ich und versuchte, nicht mitleidig zu klingen, «nichts Lebensbedrohliches?»
    «Na ja, es ist eine Krebs-Biopsie.»
    Das Licht war vom Land aufs Meer hinaus geflossen und hatte die Erde dunkel hinter dem jetzt wild leuchtenden Wasser zurückgelassen.
    «Jetzt wissen Sie's», sagte sie, «was würden Sie am letzten Abend Ihres Lebens tun?»
    Ich sah auf ihre Hände und machte behutsam einen Vorschlag: «Scotch und eine Zigarette auf dem Kliff?»
    «Genau das.» Sie nickte und schaute auf den vollen Becher in ihrer Hand, während sie die Asche ihrer Zigarette in der anderen abschnippte. «Ich habe bis sechs gemalt», sagte sie gespielt munter, die Erschöpfung war in den Pausen zwischen den Silben hörbar, «was spät für mich ist. Vielleicht backe ich noch ein
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