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Surf

Surf

Titel: Surf
Autoren: Daniel Duane
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sechs Stunden lang und ließ meine bestrumpften Füße über einem fast 900 Meter tiefen Abhang baumeln, tief hinein in beinahe flüssige Weite, durch und durch Yang-geläutert, und sah einem Wanderfalken dabei zu, wie er die Aufwinde nutzte, um meilenweit über seine riesigen Jagdgründe zu gleiten, ohne auch nur einmal mit den Flügeln zu schlagen. Doch meine Geschichte verpuffte ebenso wie die anderen über der riesigen Paellapfanne, ein Griff nach dem Gral als Beweis seiner Existenz, eine Frage als Beweis der erhofften Antwort.
    Vince bediente sich von der Platte mit den Garnelen und erzählte, er habe kürzlich einen tollen Roman gelesen, der den ganzen Archetypus des Westens auf den Surfer überträgt, der spurlos im Südpazifik verschwindet. Während er die Handlung umriss, aß ich ein paar Happen, und eine Behaglichkeit hinsichtlich der Opfer und der Hingabe, die wir teilten, breitete sich in mir aus. «Eine Sache daran ist schon komisch», sagte er in sein Essen hinein und hob mit der Gabel eine Auster aus ihrer Schale, «man weiß, für jeden Surf-Insider bedeutet es einen Scheißdreck.»
    Ich sah auf. Willie sah auf.
    «Na ja», beharrte Vince, «stimmt doch.» All die Jahre einer so schönen Sache gewidmet und immer noch so viele Zweifel. Ich stimmte ihm nicht zu, glaubte nicht einmal, dass er es tatsächlich ernst meinte, aber vielleicht nur, weil der Preis für mich so viel geringer gewesen war, jedenfalls bis jetzt.
     
    Diesiger Wind und dumpfes Licht an meinem letzten Surftag am Point vor meinem Abschied: Sogar am späten Nachmittag peitschten große Nebelschwaden über die ungepflügten Felder (alles Gelb war herausgerissen), und die Wildblumen dazwischen wiesen auf den kürzlich gefallenen Regen hin – der erblühte Schierling wogte noch immer. Rettich- und Senfblüten vertrockneten, ein Ausbruch von Salbeigrün: Es gab bereits weniger grelle Kontraste, ein geschmackvolleres Wüstenpflanzengemälde. Die ganze Küste westlich des Highway war noch unbepflanzt, der Boden etwas ausgetrocknet, ein Schwarm Möwen folgte einem Traktor und fraß die freigelegten Würmer. Es wurde Landwirtschaft betrieben, aus den leeren Saatfurchen schossen die Schösslinge. Die Hügel waren überwuchert, verwahrlost und trocken, Fuchsschwanzgras wogte im ausdörrenden Wind und Mohnblüten ragten hoch über das vertrocknende Weidegras hinaus: Grashalme waren unten saftig, aber blass, sodass die Mohnblüten wie schwebende Pünktchen wirkten, eine vibrierende orangefarbene Decke über einem grünen Bett. Möwen labten sich an einem vorbeischwimmenden Fischschwarm, und Hunderte Frösche quakten im Lilienteich am Bahndamm; einer der seltenen Momente, in denen die Meisen, die Amseln mit den roten Flügeln, die Schwalben und die Spatzen alle mit ihrem Gesang das ferne Rauschen der kleinen Brandung übertönten.
    Vier braune Pelikane in der Frühjahrsmauser – grau mit weißen Daunenfedern, braunen Hälsen und weißen Köpfen – standen auf dem schwarzen Fels am Meer, wo der grasbewachsene Hang des Hügels in eine steinerne Gezeitenebene überging; ein Lebensraum endete, ein anderer begann dort, alles auf einer Strecke von drei Metern. Etwas an ihrer ruhenden Pose, den Kopf nach hinten gedreht und den Schnabel flach am Hals, erweckte in mir den Eindruck, als seien die Pelikane außerordentlich angewidert. Dann streckte einer von ihnen die breiten Flügel aus und putzte seine Federn, und ein anderer streckte seinen langen, langen Schnabel hoch in die Luft und schüttelte das trockene, rosa Fleisch seines Kehlsacks. Ihre Gestalt wirkte merkwürdig komplex und mechanisch, und sie standen einfach beieinander, eine kleine Delegation, ohne zu schnattern und zu zetern. Dann flatterten sie auf, formierten sich, umkreisten den Felsen und erwischten in einer Reihe eine Südbrise, flogen mit stetigem Flügelschlag über eine sich neigende Welle aus Turbulenzen in der Nähe einer Dünung wie im Kielwasser eines Tankers surfende Tümmler, aber ohne deren Verspieltheit. Mit synchronem Flügelschlag verdrängen sie dieselbe Luft, zogen voran wie Radfahrer, wobei jeder Vogel einen Aufwind produzierte, auf dem der nachfolgende getragen wurde. Schließlich löste sich der anführende Pelikan aus der Gruppe, ließ sich nach hinten treiben und einen anderen die Arbeit tun. Weit draußen erhoben sie sich über einen Möwenschwarm und fingen an zu kreisen: Anchovis, Sardinen, vielleicht Makrelen. Dann legte der Anführer seine Flügel an, zog
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