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Surf

Surf

Titel: Surf
Autoren: Daniel Duane
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auf dem Pflaster. Thore stand ans Klippengeländer gelehnt und aß eine Schüssel Müsli. «Ich glaube, ich geh», sagte er, während Milch in sein neues Spitzbärtchen floss.
    Deutschland?
    «Jaha.»
    Ich sah Mitch an, der wieder gluckste und eingehend seine Hände untersuchte: drei Wochen, zweitausend Dollar, und dabei hatte er nicht mal unbedingt surfen wollen.
    «Und du?», fragte ich.
    «Oh», erwiderte er und suchte nach Worten. «Ich bleibe. Tourismus.»
    Thore flog am nächsten Morgen zurück, pleite. «Ich glaube, ich werde ein bisschen durch Europa reisen», sagte er beim Einsteigen in den Shuttle-Bus. Ziemlich genervt von der Küste, fragte Mitch noch einmal nach der Richtung zum Yosemite-Park; ich erzählte ihm von einer heißen Quelle und ein paar schönen Wanderwegen, wies ihn darauf hin, dass er wärmere Klamotten brauchte, und bestand darauf, dass er bei seiner Rückkehr wieder bei uns wohnte. Immerhin war er irgendwie das Stiefkind der beiden gewesen, er war weniger einvernehmend und kam zudem schlechter damit zurecht, jung und glücklos zu sein. Genau wie mir fehlte ihm die emotionale Kraft des einsamen Wolfes.
    Am nächsten Morgen hatte er wieder am Kliff geparkt – Yosemite?
    «Nein … aber heute Morgen», sagte er und wirkte zum ersten Mal etwas interessiert, «Um sechs Uhr kommt ein Kerl mit einem Fahrrad und» – er machte ein Geräusch, als hole er Schleim tief aus dem Rachen – «dann phhhttt! Genau hier …!» Er deutete wütend auf die Windschutzscheibe. «Also, letzte Nacht habe ich nicht geschlafen.» Er war ein kräftiger Bursche mit dicken, starken Armen, und das Militär hatte ihm bestimmt einiges darüber beigebracht, wie man anderen wehtat. «Ich warte die ganze Nacht», sagte er, schlug mit einer Faust in seine andere Hand und blinzelte mörderisch.
    Ich sah mich nach Anzeichen für einen Kampf um – etwa ein um einen Pfosten gewickeltes Fahrrad oder ein bisschen Blut auf dem Pflaster. «Hast du ihn umgebracht?», fragte ich.
    «Ich bin für eine Minute eingeschlafen!», sagte er bebend vor Wut. «Und ich wache auf und höre den Schlag gegen das Fenster! Ich springe auf und … er ist weg! Aaaarrrggghhh!» Die ganzen Frustrationen dieser lächerlichen Reise waren darauf gerichtet, irgendeinem boshaften Kid den Kopf abzureißen, und wieder hatte er versagt. «Muss den Bus verkaufen», sagte er.
    Also setzten wir eine Anzeige in die Zeitung, und er parkte an verschiedenen Stellen, sah den ganzen Tag aufs Meer hinaus, versuchte hin und wieder eine gratis ausliegende Lokalzeitung zu lesen. Der einzige Anruf kam von dem Kerl, der ihnen den Wagen verkauft hatte; für fünfhundert Dollar wollte er ihn zurücknehmen. Mitch konnte die Schmach nicht ertragen, also vertraute er den Verkauf meinem Mitbewohner Keith an, der dafür zwanzig Prozent erhalten sollte; ich bot Mitch hundertfünfzig Dollar für sein Surfboard, ein schönes Twinzer-Board, das viel mehr wert war, aber er wollte etwas von seiner Reise mitnehmen, und so beschloss er, es zu behalten. Am Morgen seiner Abreise erwähnte Mitch, er wolle sich zu Hause einen Job suchen, nicht mehr vom Fleck rühren und nur noch Rad fahren.
    Ein paar Wochen später kam Keith in die Küche.
    «Weißt du», sagte er, «der Typ ist an dem Bus interessiert, aber ich habe mir gedacht, ich sollte ihn vielleicht selbst behalten und so richtig fahrtüchtig machen …»
    Ja? «Na, war doch toll, ihn den Sommer über zu haben, oder? Im Herbst könnte ich ihn dann für viel mehr losschlagen, und wir beide würden mehr Geld bekommen, und ich war mobil, und überhaupt will ich surfen lernen und könnte mein Board dann hinten einpacken und nach Baja mit hinunternehmen …»
    Und während Mitch in zehntausend Meilen Entfernung auf einen Scheck wartete, blieb sein Briefkasten leer.
     
    An der Küste bricht die Nacht anders herein als in der Stadt: keine Straßenlaternen spenden zusätzlich Licht, keine elektrische Lichtkonstellation erhellt die flüssige Welt, die da draußen über Feld, Teich, Strand und Hohlweg in die Dunkelheit dämmert – was für eine vereinende Erfahrung für ein ansonsten bunt zusammengewürfeltes Terrain. Es geht etwas kraftvoll Beruhigendes aus von einem sommerlichen Sonnenuntergang an einer dermaßen südlich ausgerichteten Küste. Die Sonne sinkt hinter dem Land, nach rechts hin außer Sicht, und taucht alles in ein gleichmäßig sanftes Leuchten. Keine Feuerwerke vor der Küste wie im Winter und nichts von dem Versinken einer
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