Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Surf

Surf

Titel: Surf
Autoren: Daniel Duane
Vom Netzwerk:
krallte sich an ihrer Brust fest, streckte den Kopf vorne um sie herum und biss sie in die Nase, ehe er ein paar komplizierte Verrenkungen unternahm, um in sie hineinzukommen. Es dauerte etwa vierzehn Minuten. Wie gerne hätte ich das anschließende Bettgeflüster mit angehört, das gegenseitige Gekraule beobachtet, das Einnicken und die eventuelle zweite Runde. Es kam bei ihnen zu keinem ernsthaften Gerangel, und ich nehme an, das war auch nicht nötig, denn der Biss in die Nase kann tödlich sein. Ein hiesiger Biologe hatte einmal beobachtet, wie ein Männchen zwei Weibchen während der Paarung umbrachte und das zweite einen Tag lang mit sich herumschleppte und versuchte, dem toten Körper Nahrung einzuflößen. Im offiziellen Bericht stand: «entschieden abartiges Verhalten». (Im Vergleich womit?)
    Ich machte mich auf, zurück an Land, da Sex nicht unbedingt ein Sport für Zuschauer ist, doch ehe ich die ganze Szene hinter mir lassen konnte, flog eine einsame Möwe von den Klippen direkt hinaus aufs Meer. Sie flog mit einem Ziel, stellte ich mir vor, von welcher Art Fisch sich der Schwarm da draußen auch ernähren mochte. Und genau in dem Moment, in dem mich durchfuhr, dass ich als Einziger von allen hier untätig war, kam die Möwe plötzlich zurückgeflogen und schwang sich an einer hereinrollenden Welle empor. Sie legte sich schräg auf Höhe des Wasserspiegels, steuerte in das Luftkissen, das der Dünung vorausging, und glitt an der Vorderseite der Welle entlang. Sie hielt die Linie genau richtig ein und ritt auf einer Windwelle, entstanden aus einer Wasserwelle, entstanden aus Wind. Ich drehte mich um und sah zu, wie die Möwe vorüberflog; die Welle rollte unter mir hindurch, und ich sah ihr hinterher und wollte unbedingt wissen, wie weit die Möwe gehen würde. Erst als die Welle sich auf dem Sand brach, stieg die Möwe hoch auf in die Luft und beschrieb eine strikte Kehrtwende zurück zum Schwarm: kein klares Ziel, sie wollte auch keinen Abstand gewinnen. Sie surfte einfach nur. Zu vertraut … Am späten Morgen kamen wieder existenzielle Fragen zum Vorschein: Worum ging es beim Point hier überhaupt? Point: «n. 2. ein vorstehender Teil von etwas: Eine in die Bucht hinausragende Landspitze »? Ja, natürlich, aber – «3. etwas mit einem scharfen oder spitz zulaufenden Ende»? Nicht ganz, vielleicht, wenn man an der Bucht entlangblickte, aber vielleicht – «9. ein Maß oder Stadium: Offenheit bis zum Grad von Beleidigung »? Nein, nein, wie wär's mit: «10. ein besonderer Augenblick»? Ja, natürlich! Ein Jahr, ein Tag, ein Leben! Und sogar, «12. das Wichtige oder Wesentliche: der wesentliche Punkt .»
     
    Wir hingen einen langweiligen, wellenlosen Nachmittag bei Willie ab, nachdem wir fünfzig Meilen ergebnislos abgesucht hatten. In dieser Woche hatten die Farmer die Küste gepflügt, und die Rosenkohl-Sprossen sollten demnächst gesetzt werden; Feldfrucht gedeiht, während die Wildnis ruht. Ich beobachtete einen vorüberschwebenden Möwenschwarm, der sich über die Würmer eines austrocknenden Felds hermachte, wobei der heftige Wind aus Nordwest seinen Flug völlig in Einklang mit der Jahreszeit brachte. Die kleinen Möwen wirkten wie stilisiert: schwarze Gesichtsmasken, Körper wie Miniaturen aus dem Andenkenladen. Und so viel Frieden lag darin, die wechselnden Winde von weit her mit anzusehen; Staub stieg von einem Traktor auf, und ein Kormoran schoss in einer schnellen Luftströmung nach Süden. Stundenlang spielte Willie auf seiner für ihn angefertigten Rosenholz-Gitarre, während ich den Ausblick genoss. Das Instrument tönte hell, während zwei Krähen in ihrer typischen Mischung aus Fröhlichkeit und Bosheit Schleifen flogen – Kojoten der Lüfte. Und über den Feldern, hinter dem weidenden Vieh in den Hügeln vor Willies Haus, ragten die Santa-Lucia-Berge über Point Lobos auf. Ich musste unbedingt wissen, warum der dunkle Raubvogel, der sich über die Felder vor uns hermachte, mich so erregte mit seinem sich allmählich abzeichnenden Verhaltensmuster aus Energie und Mord und den Luftrhythmen und -kreisen. Irgendwie erschien mir dieses Kippen der gespreizten Flügel, die Art, wie er das Weidendickicht streifte, wie ein Gemälde, das die Formen dieser kleinen Welt darstellte. Und schließlich wird der Raubvogel für mich zum Symbol für den Geist dieser Küste: sein statisches Schweben im Nordwind, die Flügel in hoher V-Form, den hakenförmigen Schnabel nach unten, die Augen aufmerksam
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher