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Surf

Surf

Titel: Surf
Autoren: Daniel Duane
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von San Francisco. Mir fiel ein, dass Michel Foucault, der verstorbene französische Philosoph, der in solchen Bädern sein Coming-out gehabt hatte, viel mit Richard Henry Dana, Jack London und Tausenden Surfern, die sich selbst in Kaliforniens Gewässern gefunden hatten, gemein hatte, aber Fran blieb unbeeindruckt, hörte etwas Widriges aus meiner Andeutung heraus; vielleicht hatte sie Recht. Das Gespräch ging über zu der Frage, welches Schneidebrett für den Knoblauch vorgesehen war – ich wollte ihnen nicht die Melone am nächsten Morgen verderben –, und bald setzten wir uns alle um den handgearbeiteten Zedernholztisch vor der Fensterfront. Ich hatte Pech und bekam den Stuhl mit dem Rücken zur Kante Nordamerikas, und Pascale servierte Bio-Artischocken von den Privatfeldern des Basilikum-Typen: dicke Knospen auf weißem Geschirr mit selbst gemachter Kräutermayonnaise. Das Meer draußen war jetzt dunkel, abgesehen von einem Streifen Rot entlang des entfernten Teils der Erdrundung, ein kleines Blinzeln von gestern. Willie lenkte unsere Aufmerksamkeit auf die Erhabenheit des Sonnenuntergangs, und das Gespräch kam auf Momente von unvergessener Schönheit. Er erzählte, wie er allein bei Tagesanbruch gesurft war, als drei Killerwale um ihn herum auftauchten, ihre gekrümmten schwarzen Finnen gleißend im Morgenlicht. Vince erzählte mit ironischer Gelassenheit, wie in seinen wilderen Tagen einmal ein einheimischer Brettbauer eine Tüte voller Peyote und ein spitz zulaufendes Board auf seiner Veranda liegen gelassen hatte. Zusammen mit einem Freund verschlang er sie im Wald, saß eine Weile halluzinierend da und fand sich schließlich unten bei Steamer Lane wieder; ein ablandiger Herbstnachmittag voll von durchrollenden scharfkantigen, fast zwei Meter hohen Wellen. Wie auch immer die Siebziger hier ausgesehen haben mochten, alle am Tisch können sich erinnern, dass sie entschieden anders waren als jetzt. Vince gab eine lebhafte Beschreibung davon, wie er das kleine spitze Brett durch eine gewaltige Tube geritten hatte, wie er durch ihre Öffnung den Regenbogen der vorausgegangenen Welle sah und vier Möwen die Lip entlangflogen. Das Ganze war für ihn eine Verzerrung der Zeit, die sein Leben verändern sollte, bis die Rolle zumachte und ihn vermöbelte.
    Vince und Willie und ich versenkten uns eine Weile in Surf-Talk, und dann räusperte sich Pascale. «Ich war vor kurzem Ski fahren», sagte sie und nickte, «oben in Lake Tahoe. Ich war nicht auf den schwierigen Pisten oder so, aber all der Schnee hatte die anderen hier davon abgehalten, hochzufahren, so hatten wir den ganzen Berg für uns und glitten durch das – okay, ich sag das Wort – jungfräuliche Pulver.» Sie lachte und fuhr dann fort: «Und das Verrückte dabei war, ich spürte nie den Boden unter meinen Skiern. Es war, als würde ich ein Kissen aus Gänsedaunen hinabgleiten, aber eines aus Trockeneis. All die kleinen Kristalle flogen hinter uns wie ein Engelsschweif.» Wir alle schwiegen einen Moment, stellten uns das vor. Willie und Vince sahen sich an: Engelsschweif… Metapher oder mehr?
    «Diese Artischocken», sagte Fran, «sind einfach … na, sagen wir, was Besonderes.» Sie schloss ihre Augen und zog ein Blatt fangsam zwischen Zähnen und Zunge hindurch. Und dann als Gipfel sinnlicher Genüsse: Spargel. Auch er wurde fast ohne alles serviert, ihr Vertrauen in das Gemüse war so groß, dass sie wussten, dass «das Ding an sich» unter ablenkenden Aromen und Texturen nur leiden würde. Durch Vinces Anstoß gab Fran ein uncharakteristisches und überraschendes eigenes Erlebnis zum Besten, eines aus einer früheren Ehe: den Abstieg von einem hoch auf einem Vulkan Mittelamerikas über den Wolken gelegenen Camp, einen sich über hundert Meilen erstreckenden Ausblick über ein überirdisches Vlies aus Federwolken und das langsame Durchqueren der Wolkenschicht, hinab auf Bergwiesen voller leuchtend roter und gelber Mohnblumen. Sie erschauderte noch in der Erinnerung daran, als bestätige dieses Erlebnis die Vorherrschaft der Intuition vor der Linearität. Vince fragte sie nach mehr Einzelheiten, da er offenbar die Geschichte noch nicht gehört hatte, aber Fran bestand darauf, das sei der relevante Teil gewesen, den Rest würde sie ihm später einmal erzählen. Und dann war ich dran: ein langer, träger Morgen auf einem Felsvorsprung hoch auf El Capitan am fünften Tag unserer Kletterpartie; während meine bekifften Partner umhertappten, schwebte ich
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