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Im Auftrag der Rache

Im Auftrag der Rache

Titel: Im Auftrag der Rache
Autoren: Col Buchanan
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Prolog
    Der Leuchtende Weg
    Es war wie auf dem Meer: die Ebene aus Gras, die sich bis zum Rande des Horizonts und darüber hinaus erstreckte; die Augen füllten sich mit Himmel, wohin sie auch schauten. In der milchigen Helle des Tages standen die Zwillingsmonde einsam und hoch; der kleinere der beiden war von bleichem Weiß, der größere von blassem Blau, und beide waren umfangen von Finsternis, in der ihre runde Gestalt klar hervortrat. Jeden Beobachter mit Wissen oder Vorstellungskraft erinnerten sie daran, dass auch die Welt von Er e ¯ s ein ungeheurer Ball war, der durch das Nichts taumelte und sich zusammen mit ihnen drehte.
    »Dem Narren sei Dank, dass es heute keinen Wind gibt«, meinte Kosch, der selbstsicher im Sattel seines Kriegs-Zel saß. »Noch eine Verbrennung könnte ich nicht ertragen.«
    »Ich ebenfalls nicht«, erwiderte Asch, riss den Blick von den fernen Monden los und blinzelte, als ob er nun endlich zu sich selbst und zur Welt der Menschen zurückgekehrt sei. Heute war die Luft heiß und schwer und schimmerte über dem Stoppelgras, das sich zwischen den beiden Armeen erstreckte. Die Hitzewellen ließen das dunkle, glitzernde Massiv der feindlichen Reiter unnatürlich nah erscheinen.
    Asch schnalzte mit der Zunge, als sein eigenes Zel den Kopf nervös herumwarf. Er war kein so guter Reiter wie Kosch, und sein Zel war jung und noch unerfahren. Asch hatte ihm bisher nicht einmal einen Namen gegeben. Sein früheres Reittier, der alte Asa, war in ihrem letzten gemeinsamen Kampf östlich von Car mit zerrissenem Herzen gefallen. Es war ein Tag gewesen, an dem der Geruch brennenden Fleisches wie ein Leichentuch über dem Schlachtfeld gelegen hatte, während die feindlichen Yaschi in dem gewaltigen, vom Wind angefachten Feuer verbrannt waren, das Asch und seine Kameraden in ihre Reihen getragen hatten. Später hatte er mit verrußtem, tränennassem Gesicht um sein totes Zel genauso heftig getrauert wie um seine Kameraden, die an jenem Tag gefallen waren.
    Asch beugte sich vor und strich mit der behandschuhten Hand über den Hals seines jungen Zel. Sieh dir diese beiden an , versuchte er dem Tier durch seine Gedanken mitzuteilen, während er den stillen Kosch und sein zuverlässiges Reittier betrachtete. Sieh nur, wie stolz sie zusammen wirken .
    Das junge Zel bäumte sich kurz auf.
    »Ganz ruhig, mein Junge«, besänftigte Asch es, streichelte weiterhin den muskulösen Hals des Tieres und glättete ihm das struppige Haar, das zwischen den weißen Bändern schwarz wie Pech war. Endlich beruhigte sich das Zel und schnaubte sich die Angst aus der Lunge.
    Leder knirschte, als Asch sich in seinem Sattel aufrichtete. Neben ihm entkorkte Kosch einen Wasserschlauch und tat einen tiefen Zug. Er keuchte und wischte sich den Mund trocken. »Ich könnte etwas Stärkeres gebrauchen«, klagte er und bot Asch nichts an. Stattdessen warf er den Schlauch seinem Sohn zu, der als sein Kriegsknappe barfuß neben ihm stand.
    »Bist du noch immer wütend deswegen?«, fragte Asch.
    »Du hättest mir etwas übrig lassen können.«
    Asch ächzte, beugte sich zwischen die Reittiere und spuckte auf den Boden. Zundergrashalme richteten sich auf und knisterten, als sie die plötzliche Feuchtigkeit einsaugten. Überall auf der Ebene war es dasselbe; es war ein andauerndes Hintergrundgeräusch zu hören – wie ungekochter Reis, der auf ferne Dachschindeln regnete, als die Ausscheidungen der beiden Armeen ungezählte gleichartige Reaktionen des Grases unter ihnen hervorriefen.
    Er schaute nach rechts, über den Kopf seines eigenen Sohnes und Kriegsknappen Lin hinweg. Der Junge stand in seiner üblichen stillen Versunkenheit da. In der Reihe tänzelten einige Tiere nervös unter ihren beschwichtigenden Reitern. Die Zele rochen die feindlichen Kriegspanther in den immer wieder aufkommenden Windstößen, von denen die fernen Schlachtreihen durchgeschüttelt wurden, die ihnen auf diesem namenlosen Flecken im Meer des Windes und des Grases gegenüberstanden.
    Die Armee der Volksrevolution war heute zahlenmäßig unterlegen. Aber das war sie immer, und es hatte sie nicht davon abgehalten zu lernen, wie sie gegen einen Feind gewinnen konnte, der sich auf widerwillige Wehrpflichtige und die althergebrachten traditionellen Formen des Kriegshandwerks verließ, wie sie in dem alten und ehrwürdigen Traktat des Krieges niedergelegt waren. Heute war die Zuversicht der alten Kämpfer deutlich zu sehen, als sie auf den Beginn des Gemetzels
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