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Im Auftrag der Rache

Im Auftrag der Rache

Titel: Im Auftrag der Rache
Autoren: Col Buchanan
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sogar – das seltenste Geräusch so kurz vor einer Schlacht.
    Asch wischte sich über die Stirn und betrachtete die abgehärteten Männer des Leuchtenden Weges, dieses Flügels der Armee, in der er nun schon seit über vier Jahren kämpfte. Auch wenn er erst einunddreißig war, so war er doch schon ein Veteran. Der Flügel zählte sechstausend ausgerüstete berittene Infanteristen. Sie trugen einfache Lederkappen, die um die Ohren festgebunden waren. Weiße Kavallerieschals waren um schwarze Gesichter geknotet, und hölzerne Klappen schirmten die Augen vor der Sonne ab. Viele gepanzerte Umhänge waren schon vor langem mit weißen Streifen bemalt worden, so dass sie wie das Fell der Zele aussahen, auf denen die Männer lebten und kämpften. Außerdem waren sie mit den Zähnen ihrer Feinde geschmückt, die ihnen Glück bringen sollten. Asch kniff die Augen zusammen und schaute hinter die Männer zu dem großen Bogen der restlichen Armee, dieser gewaltigen Ansammlung von Flügeltruppen.
    Er fragte sich, wie viele zu ihren Familien zurückkehren und ihr altes Leben wieder aufnehmen würden, wenn sie heute hier siegreich sein sollten. Die Revolution war für sie mit den Jahren zu einer Lebensweise geworden, auch wenn sie blutig und grausam war. Die Armee der Volksrevolution war Heimat und Familie für sie. Würden sie es schaffen, die Freiheit des Sattels und die Bande aufzugeben, die sie untereinander geknüpft hatten, und auf das Hochgefühl des Kampfes zu verzichten, wenn sie zu ihren Gehöften und ihrem gewöhnlichen, alltäglichen Leben zurückkehrten, gerüstet mit Alpträumen und andauernden Blicken in die Ferne?
    Er vermutete, er würde es selbst herausfinden. Wenn sie hier gewannen und Asch und Lin überlebten, dann würde er mit seinem Sohn in die nördlichen Berge und zu ihrem hoch gelegenen Dorf Asa zurückkehren – zu seiner Heimat und seiner Frau, die er seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hatte. Er würde die Dinge, die er im Namen der gerechten Sache gesehen und getan hatte, zu vergessen versuchen. Aber er würde dieses Leben auch vermissen. Er wusste, dass er im Kriegshandwerk besser war als im Ernähren einer Familie.
    Asch spürte den Gebetsgürtel, der so fest wie ein Leinenverband um seinen Bauch gewunden war. Die in Tinte geschriebenen Worte drückten sich gegen seine schwitzende Haut. Darin eingewickelt trug er einen Brief seiner Frau mit sich, der ihm erst vor einer Woche übergeben worden war. Ihre Worte, eingeschnitten in dünnes Leder, baten ihn abermals um sein Vergeben.
    »Vater«, sagte sein Sohn neben ihm, als der Feind näher kam. Der Junge hielt eine der Lanzen hoch; sein Gesicht war feucht vom Schweiß. Asch ergriff die Lanze und auch den Schild. Links von ihm tat Koschs Sohn das Gleiche.
    »Bist du bereit?«, fragte Asch seinen Sohn nicht ohne eine gewisse Freundlichkeit.
    Aber der Junge runzelte die Stirn. Er beugte sich vor und spuckte genauso aus, wie es sein Vater manchmal tat. »Ich werde es durchstehen, wenn es das ist, was du meinst«, verkündete er mannhaft, aber er sagte es mit einer Stimme, die noch nicht vom Erwachsenenalter gebrochen worden war. In ihr lag eine gewisse Verärgerung über Aschs Unterstellung, er könnte heute wieder weglaufen, wie er es in seiner ersten wirklichen Schlacht getan hatte, weil er von alldem überwältigt worden war.
    »Das weiß ich. Ich habe nur gefragt, ob du bereit bist.«
    Im Kiefer des Jungen zuckte es. Sein Blick wurde sanfter, bevor er wegschaute.
    »Bleib hinten und in der Nähe von Koschs Sohn. Komm nicht zu mir, es sei denn, ich gebe dir das Signal dazu. Hast du verstanden?«
    »Ja, Vater«, antwortete Lin und wartete. Er blinzelte Asch an, als ob er noch etwas erwartete.
    Der dünne Lederstreifen mit dem Brief seiner Frau fühlte sich kühl an Aschs Bauch an.
    »Ich bin froh, dass du hier bist, mein Sohn«, hörte er sich sagen, und seine Kehle krampfte sich bei jedem Wort zusammen. »Hier bei mir, meine ich.«
    Lin strahlte ihn an.
    »Ja, Vater.«
    Er drehte sich um und schlenderte davon, und Asch sah ihm nach, während auch andere Kriegsknechte durch die Reihen nach hinten gingen. Koschs Sohn gesellte sich zu Lin und schlug ihm auf die Schulter. Er war ein Scherzbold wie sein Vater.
    Ein leises Donnern rumpelte durch die Hitze auf der Ebene.
    Die Yaschi griffen an.
    Asch zog die Holzklappen vor die Augen und den Schal vor das Gesicht. Unter sich spürte er das Zittern des Bodens, das sich ihm durch die Knochen und Muskeln seines
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