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Im Auftrag der Rache

Im Auftrag der Rache

Titel: Im Auftrag der Rache
Autoren: Col Buchanan
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Geist rechtschaffener Brüderlichkeit ausgebreitet. Das war der wahre Beginn ihres Siegeszuges gewesen. Nun hatte sich das Blatt langsam, aber stetig gewendet.
    »Meinst du nicht auch, dass es sich eher wie das Ende anfühlt?«, fragte Kosch.
    »Ja, auf die eine oder andere Weise«, antwortete Asch und schaute hinunter auf seinen Sohn.
    Lin bemerkte nicht, dass er beobachtet wurde. Der Junge hielt zwei aufgerichtete Bündel Speere in den Händen und trug einen Schild aus Weidengeflecht auf dem Rücken. Die Augen des Vierzehnjährigen waren weit geöffnet und zeugten von großem kindlichen Staunen. Flecken aus reflektiertem Sonnenlicht zeigten sich in seinen dunklen Pupillen; das Weiß war vom heftigen Trinken der letzten Nacht blutunterlaufen. Der Junge hatte bis spät in die Nacht an einem der Lagerfeuer gesessen, mit den anderen Kriegsknappen ihres Flügels gescherzt und aus voller Kehle gesungen.
    Er war nun ein ganz anderer Mensch als der halb verhungerte Straßenjunge, der vor zwei Jahren in das Basislager gestolpert war. Er war davongelaufen, weil er seinem Vater als Kriegsknappe hatte dienen wollen. Die nackten Füße des Jungen waren von einer Reise zerfetzt gewesen, vor der die meisten Erwachsenen zurückgeschreckt wären.
    Und weswegen? Wegen der Liebe und Achtung eines Vaters, der seinen Anblick nicht mehr ertragen konnte.
    Asch spürte einen plötzlichen stechenden Schmerz in der Brust; er rührte von einem Gefühl überwältigender Scham her. In diesem Augenblick verspürte er das Verlangen, seinen Sohn zu berühren und ihm mit einem Händedruck Mut zu machen, wie er es vorhin bei seinem Zel getan hatte. Er hob die behandschuhte Hand vom Sattelknauf und streckte sie aus.
    Lin schaute hoch. Asch betrachtete die dichten Brauen und die Stupsnase, die ihn so sehr an die Mutter des Jungen und an ihre Familie erinnerten, die er so sehr zu verachten gelernt hatte. Es waren Gesichtszüge, in denen nichts von ihm selbst zu liegen schien.
    Er hielt in der Bewegung inne, und seine Hand schwebte auf halbem Weg zwischen ihm und dem Jungen. Einige Herzschläge lang schauten beide sie an, wie sie dort in der Luft hing, als ob sie alles repräsentierte, was je zwischen ihnen gestanden hatte.
    »Wasser«, murmelte Asch, obwohl er nicht durstig war. Ohne ein Wort hob der Junge den ausgebeulten Wasserschlauch.
    Asch nahm einen Schluck von dem lauwarmen schalen Wasser. Er wirbelte es im Mund umher, schluckte ein wenig und spuckte den Rest wieder aus. Dort, wo es auf das Zundergras fiel, zischte und knisterte es. Er gab Lin den Wasserschlauch zurück, richtete sich im Sattel auf und war wütend auf sich selbst.
    »Sie kommen«, verkündete Kosch.
    »Ich sehe es.«
    Vor der gesamten feindlichen Armee stieg ein wogender Staubteppich in die Luft. Die Yaschi trotteten in ihren Formationen vorwärts, und hohe Banner, die die Farben der einzelnen Flügel und ihre wechselnden Befehlshaber anzeigten, flatterten an den Rücken der Reiter. Hörner erschallten, Windwirbel jammerten wie Rufe zu den Toten, und diese Geräusche überspülten langsam und rhythmisch die Reihen der Revolutionären Volksarmee. Aschs Zel schnaubte und wurde wieder sehr lebhaft.
    Allein an dieser Flanke waren die Streitkräfte der Lehensherren zu mindestens zwanzigtausend Mann überlegen. Eine gewaltige Masse von Kämpfern erstreckte sich bis zum verschwommen wahrnehmbaren Mittelpunkt der feindlichen Schlachtreihe. Ihre schwarzen Rüstungen saugten das grelle Tageslicht auf; Helme mit großen Federn daran hüpften auf und ab. Das Sonnenlicht glitzerte auf Tausenden von Metallspitzen und erschuf ein blendendes Flirren inmitten des Staubes, der von der herannahenden Armee aufgewirbelt wurde, während die Hufe der Zele das Zundergras der Ebene zu feinem Puder zermahlten.
    Vor den heranrückenden Yaschi stiegen dichte Wolken von Motten und Fliegen und auch Vögel zu Tausenden aus dem kurzen Gras. Sie flogen in einer gewaltigen schreienden Welle aus flatternden Flügeln über die Köpfe der Revolutionären Volksarmee hinweg. Es waren so viele, dass sich die Luft in ihrem Schatten einen Augenblick lang abkühlte.
    Darunter schnüffelten die Zele und rollten mit den Augen, als ein Hagel aus losen Federn und Vogelkot auf sie herabregnete. Lin hielt sich den Weidenschild über den Kopf. Andere in seiner Reihe machten es ihm nach, so dass es aussah, als würden sie sich vor plötzlichem feindlichen Feuer schützen. Scherze drangen von den Veteranen herbei, Gelächter
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