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Süßer Zauber der Sinnlichkeit

Süßer Zauber der Sinnlichkeit

Titel: Süßer Zauber der Sinnlichkeit
Autoren: Deborah Hale
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Noch stand er, den Kopf über die Arbeit geneigt, recht weit entfernt, so dass Dominie nicht mit Sicherheit sagen mochte, ob sein Gesicht jenes war, das sie in Gedanken vor sich sah.
    So mach schon, schalt sie sich. Sie konnte es sich nicht leisten, ihre Zeit zu vergeuden, um herauszufinden, ob Armand Flambard hier war! Und doch hielt sie irgendetwas zurück. War es die Angst, dass auch diese Hoffnung vergebens war, wie so viele andere zuvor?
    Nachdem sie all ihren Mut zusammengenommen hatte, trat Dominie aus der Deckung der Bäume heraus und ging auf die Einfriedung zu. In seine Arbeit vertieft, werkelte der Novize ungerührt weiter, ohne sie zu bemerken. Schließlich trennte die beiden bloß noch die schmale Barriere aus gestutztem Strauchwerk.
    "Armand Flambard?" fragte sie.
    Der Ordensbruder schaute auf, und der Hieb seiner Hippe verfehlte das Ziel – eine Reaktion, welche seiner schroffen Auskunft in keiner Weise entsprach. "Einen Mann dieses Namens wirst du hier nicht finden, Junge!"
    Junge ? Für einen Augenblick war Dominie von dem Ausdruck nicht weniger konsterniert als von Armand Flambards Leugnen. Als er nämlich aufgeschaut und gesprochen hatte, vollführte ihr Herz einen Hüpfer, denn sie hatte ihn erkannt.
    Gewiss, seit ihrer letzten Begegnung hatte er sich äußerlich ein wenig verändert. Sein Gesicht zeigte ein noch tieferes Braun als damals schon, und die einst jungenhaft weichen Züge waren mit den Jahren kantig geworden, was seinem Profil einen herben, maskulinen Reiz verlieh.
    Seine Schultern waren so breit wie eh und je, die Glieder schlank und durchtrainiert. Seine Hände wirkten größer und kräftiger als in ihrer Erinnerung, und doch bewegten die Finger sich mit jener eleganten Gewandtheit, die früher der Laute solch berückende Klänge entlockt hatte … und ihr selbst seelenvolle Seufzer.
    Dominie verwarf dieses betörende Bild und überprüfte ihr Äußeres. Kein Wunder, dass Armand sie für einen Burschen hielt!
    Sie riss sich die Filzkappe vom Kopf und ließ den vollen, dicht geflochtenen Zopf aus kastanienbraunem Haar über die Schultern fallen. "Schau mich noch einmal an! Vielleicht hilft das deinem Gedächtnis auf die Sprünge … Bruder!"
    In jüngeren Jahren hatte sie ihn zuweilen Bruder genannt, natürlich nur zum Scherz. Obwohl er zu Wakeland im Hause der De Montfords aufgewachsen war, hatte sie niemals schwesterliche Gefühle für Armand Flambard gehegt, und das war auch jetzt nicht anders.
    Als er ihr abermals einen Blick zuwarf, rang Dominie sich ein Lächeln ab, damit er sie erkannte. Zwar wollte sie weder vergessen noch vergeben, was er ihr in der Vergangenheit angetan hatte, doch ihre Leute bedurften nun seiner Hilfe. Und sie würde alles in ihrer Macht Stehende tun, um ihnen diese Unterstützung zu sichern!
    "Dominie?" Das Werkzeug entglitt seinen Fingern und schlug dumpf auf dem Boden auf. "Wie hast du mich gefunden? Warum bist du hergekommen?"
    Also erkennt er mich doch! Dominie versuchte die freudige Erregung, von der sie wie von einer Woge erfasst wurde, zu unterdrücken, was ihr nicht gelang.
    "Vor kurzem pilgerte Pater Clement zum Kloster, und bei seiner Rückkehr sagte er, er glaube dich dort gesehen zu haben. Also bin ich gekommen, um mich persönlich zu vergewissern, ob das wahr ist. Wir hielten dich nämlich für tot, Armand!" Dominie konnte sich den scharfen, vorwurfsvollen Unterton nicht verkneifen. "Bei Lincoln gefallen, wie mein Vater und Denys."
    Wie sehr sie um ihn getrauert hatte! Und umso länger und bitterer, je angestrengter sie versuchte, es nicht zu tun! Gegenüber dem Vater und auch dem Bruder kam es ihr wie ein Verrat vor, einen von ihren gefallenen Feinden zu beweinen!
    Armands wohlgestalte Züge verzerrten sich, genauso wie damals, wenn er bei seinen Schwertübungen, bei denen Dominie ihm manchmal zusah, einen Hieb abbekam.
    Sie konnte sich denken, was dieser Gesichtsausdruck zu bedeuten hatte. "Hattest du nicht gehört, dass sie gestorben sind?"
    "Doch, doch!" Er warf einen Blick über die Schulter zu den übrigen Brüdern. Sie waren alle zu weit entfernt und zu sehr in ihre jeweiligen Aufgaben vertieft, als dass sie ihm und Dominie Beachtung geschenkt hätten.
    "Auch ich wurde bei Lincoln getötet!" Er bückte sich, um die Hippe aufzuheben. "Zumindest zum Teil!"
    Was mochte er damit meinen? Hatte er durch eine schwere Verwundung seine Kampffähigkeit eingebüßt, obwohl es nicht den Anschein hatte?
    Ein Schauder überlief Dominie, doch dann
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