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Süden und das Gelöbnis des gefallenen Engels

Süden und das Gelöbnis des gefallenen Engels

Titel: Süden und das Gelöbnis des gefallenen Engels
Autoren: Friedrich Ani
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übers Knie. Sie hatte die Beine übereinander geschlagen, sie waren leicht gebräunt.
    »Ich hab doch gesagt, ein andermal«, sagte sie.
    »Sind Ihre Beine da, damit ich wegseh?«
    »Das auch wieder nicht«, sagte sie. Wir schwiegen. Wir tranken.
    Die Band nebenan spielte englische Songs aus den sechziger Jahren. Immer mehr Gäste gingen. An der Rezeption klingelte das Telefon nur noch selten. Wir bestellten noch eine Runde.
    »Ist Grauke ein guter Schuster?«, fragte ich.
    »Glaub schon«, sagte Elke. Und jetzt, wenn ich mich nicht täuschte, gab es einen anderen Unterton in ihrer Stimme, ein sanftes Lallen. Garantiert hatte sie oben im Zimmer nicht nur Mineralwasser getrunken.
    »Er hat seiner Schwägerin versprochen, mit ihr wegzugehen«, sagte ich.
    »Sie glauben aber auch alles, was die erzählt!«, sagte sie.
    »Die bildet sich das ein. Weil sie selber da nicht wegkommt, hat sie gedacht, sie hängt sich an Max dran. Die spinnt. Das ist doch eine Wahnsinnsfamilie!«
    »Wissen Sie etwas über die beiden Schwestern?«
    »Die interessieren mich null. Und Max hat nie von denen gesprochen, den interessieren die genauso null. Schon früher… schon…«
    Sie trank und unterdrückte einen Schluckauf. Ungefähr drei Sekunden später schnellte der Ober wieder aus dem Teppich. Und brachte auf einem kleinen weißen Teller einen Strohhalm. Wortlos stellte er den Teller hin, nickte Elke zu und verschwand. Wie selbstverständlich nahm sie den Strohhalm und rührte damit in ihrem Glas, damit die Kohlensäure entwich.
    Auch wenn ich nirgendwo Stammgast sein wollte, in diesem Moment beneidete ich Elke um ein solches Privileg.
    Darüber hatte ich vergessen, ein neues Bier zu bestellen.
    »Wussten Sie, dass Grauke schon einmal verschwunden war?«, sagte ich.
    »Klar«, sagte sie und rührte weiter. »Ich hab damals mal bei ihm in der Werkstatt übernachtet. Ich hab mich verstecken müssen, er hat mir eine Decke gegeben, einen Schlafsack hatte ich selber. Das war mutig von ihm. Die Leute, die mich gesucht haben, waren gefährliche Arschlöcher. Wenn die mich gefunden hätten, hätten sie ihn auch fertig gemacht. Aber er hatte keine Angst.«
    »Und vor kurzem haben Sie wieder bei ihm übernachtet.«
    »Ja«, sagte sie und trank. »Weil er mich gebeten hat. Weil er selber in seiner Werkstatt übernachtet hat. Keine Ahnung, was die zwei Weiber wieder angestellt hatten. Er wollte nichts von mir, ja? Darum gings nicht, so einer ist der Max nicht. Ich hätt ihn schon gelassen, ich hab mir gedacht, dass da nichts mehr läuft. Wenn er mich gefragt hätt, hätt ich ihn gelassen. Aber er hat mich nicht gefragt.«
    »Vielleicht hat er sich nicht getraut«, sagte ich.
    »Kann schon sein.«
    Es gelang mir, den Blick des Obers zu erwischen. Ich hob mein leeres Glas.
    »Er hat Ihnen nicht gesagt, warum er abhaut? Damals und jetzt?«
    »Ich hab ihm gesagt, er braucht mir nichts zu erklären. Ich helf ihm, wenn er das möchte, er hat mir damals geholfen, jetzt helf ich ihm. Er hat mir das Leben gerettet, die Typen hätten mich umgebracht. Und dann bin ich in die Klinik und dann war ich nicht mehr wichtig für die, die brauchten dann Gesündere als mich. Aber davor wäre ich geliefert gewesen. Max ist in Ordnung.«
    »Was hat er denn vor?«
    »Das geht Sie doch nichts an!«
    »Zum Wohl, der Herr!« Der Ober stellte mir das frische Glas hin.
    »Ich muss gehen«, sagte Elke.
    Ich sagte zum Ober: »Bringen Sie mir bitte die Rechnung!«
    Ehe er zurückkam, half ich Elke in den Mantel. Im Stehen trank sie ihr Glas aus. Ich blieb sitzen und gab dem Ober sein Geld.
    »Bis bald mal wieder!«, sagte er und nickte uns beiden zu.
    »Unbedingt«, sagte ich.
    Auf der Straße überlegte sie, wo sie ihr Auto geparkt hatte.
    »Ich will mit ihm sprechen«, sagte ich.
    Sie sagte: »Nein.«
    Dann hakte sie sich bei mir unter. Wir gingen in eine Seitenstraße. Vor einem beleuchteten Schaufenster stand der weiße Panda.
    »Sie fragen ihn, ob er mit mir sprechen will«, sagte ich.
    »Wenn nicht, verschwind ich wieder.«
    »Sie nehmen ihn bloß mit«, sagte sie und suchte in der Ledertasche nach dem Autoschlüssel.
    »Der Mann ist erwachsen«, sagte ich.
    »Ich möchte nicht, dass Sie wissen, wo ich wohn.«
    »In der Fallmerayerstraße 32.«
    »Bullen!«, sagte sie. Sie sperrte auf, warf die Tasche auf den Rücksitz und setzte sich hinters Lenkrad. Unaufgefordert stieg ich ebenfalls ein.
    Beide Türen standen offen. Im Auto war es warm. Und eng. Ich hätte den
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