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Süden und das Gelöbnis des gefallenen Engels

Süden und das Gelöbnis des gefallenen Engels

Titel: Süden und das Gelöbnis des gefallenen Engels
Autoren: Friedrich Ani
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was schön war zwischen uns, wird immer schön bleiben. Immer.«
    Lotte stieß Paula beiseite und kam auf mich zu. »Meine Mutter hat immer gesagt, dass ich mir was einrede, dass das vorbeigeht, dieses… diese Gefühle, dass die eine Phase sind… Meine Mutter hat gewusst, was mit mir los ist, aber sie hat gesagt, das verschwindet wieder, wie eine Krankheit… Wieso denn? Ich tu niemandem was, ich bin sogar verheiratet, ich hab ein ganz normales Leben, das ist vielleicht normaler als das von den meisten Leuten hier im Viertel, das kann gut sein, oder? Ich hab niemanden belästigt damit, und meinem Mann hat das nicht geschadet, ich hab ihn nicht betrogen, ich hab ihn auch gern. Aber lieben ist was anderes, und ich…« Sie sah sich zu Paula um und schien sie zuerst nicht zu finden. Blitzschnell drehte sie den Kopf in die andere Richtung. Paula stand vor dem Regal mit den reparierten Schuhen.
    »Du kannst jetzt nicht weggehen, das lass ich nicht zu«, sagte Lotte mit zitternder Stimme. »Ich lass mich von euch nicht sitzen lassen! Ich lass mich von euch nicht sitzen lassen!«
    Dann machte sie eine seltsame Drehung, verlor die Balance und kippte mir entgegen.
    Ich hielt sie fest und legte die Arme um sie. Ihr Körper begann zu zucken, sie versteckte den Kopf unter meiner Jacke. So klein und dünn wie sie war, schien sie zu schrumpfen und unter dem Beben, das sie schüttelte, zu verschwinden.
    »Maximilian ist mit einer jungen Frau unterwegs«, sagte ich.
    Während Lotte unverändert blieb, hob ihre Schwester den Kopf.
    »Vermutlich hat er gemeinsam mit ihr das Geld abgehoben.«
    Paula wartete darauf, dass ich weitersprach. Lotte beruhigte sich etwas und machte sich langsam von mir los.
    »Wir wissen inzwischen, wie die Frau heißt«, sagte ich, »aber in welcher Verbindung sie zu ihm steht, wissen wir noch nicht.«
    »Warum nicht?«, sagte Paula.
    Aus tränennassen Augen sah Lotte zu mir herauf. »Was denn für eine junge Frau? Wo kommt die denn her? Das müssen Sie doch wissen!«
    »Sie besucht das ›Ragazza‹ nebenan.«
    »Sie lügen«, sagte Paula. Ich sagte: »Jetzt nicht.«
    »Und wie heißt sie?«, fragte Lotte.
    »Elke.«
    »Ich kenn keine Elke«, sagte Paula. »Und wie weiter?«
    »Den Familiennamen haben mir meine Kollegen noch nicht mitgeteilt.«
    »Sie lügen«, sagte Paula wieder.
    »Sind die beiden zusammen gesehen worden?«, fragte Lotte. Sie sah sich um, sie suchte etwas, mit dem sie sich die Nase putzen konnte.
    »Ja«, sagte ich. »Mehrmals.«
    »Sie haben doch mit Max gesprochen«, sagte Paula, »wieso haben Sie ihn nicht gefragt?« Sie ging zu Lotte und gab ihr ein Papiertaschentuch.
    »Danke«, sagte Lotte leise.
    Ich sagte: »Zu dem Zeitpunkt wussten wir noch zu wenig von der Frau.«
    Lotte schneuzte sich, tupfte sich die Augen ab und warf das Taschentuch in den Papierkorb.
    »Im Moment«, sagte ich zu Paula Trautwein, »sieht es nicht so aus, als wolle er mit Ihnen die Stadt verlassen.«
    Sie bemühte sich um ein Lächeln. Es misslang ihr. Die beiden Frauen hielten sich an der Hand. Man hätte meinen können, sie warteten darauf, abgeholt zu werden. Aber niemand kam. Und sie warteten schon lange. Und ihre Kraft ließ nach. Und ihre Zuversicht.
    »Sie hätten damals kein Gelöbnis ablegen müssen«, sagte ich zu Paula.
    »Natürlich nicht«, sagte sie. »Ich wollte ja nicht in die Kirche eintreten!«
    »Nein«, sagte ich.
    Nach einem Schweigen sagte Lotte: »Sie hat es wegen mir getan.«
    »Ja«, sagte ich.
    Ich stand ihnen gegenüber. Wir sahen uns an. Das trübe Licht machte uns nicht ansehnlicher. Und doch schafften wir es nicht, die Werkstatt zu verlassen. Wir hatten hier nichts mehr verloren. Es roch nach Leder. Vor allem nach Leder. Auch nach Parfüm. Und nach gegrilltem Fleisch. Auch wenn Letzteres unwahrscheinlich war. Aber vielleicht drang der Duft von draußen herein. Risse und Lücken gab es genug. Reglos standen wir da.
    Ich würde den beiden Frauen versprechen, Maximilian zu finden und mit ihm zu reden. Und danach? Die beiden kleinen Frauen hielten sich noch immer an der Hand.

15
    D ie Gäste in der Hotelhalle trugen kurzärmelige Hemden und Shorts, sie lachten viel und bewegten sich lässig zwischen den schweren Sesseln und niedrigen Tischen. Sie winkten Bekannten zu und wirkten, als würden sie jeden Moment ihre Sandalen abstreifen und in einen imaginären Swimmingpool springen. Das echte Schwimmbad lag im obersten Stockwerk, wo man mit halb geschlossenen Augen das Gefühl hatte,
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