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Süden und das Gelöbnis des gefallenen Engels

Süden und das Gelöbnis des gefallenen Engels

Titel: Süden und das Gelöbnis des gefallenen Engels
Autoren: Friedrich Ani
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der Ledermesser in die Hand und betrachtete es wie etwas, das sie zum ersten Mal sah. Von ihrer Schwester und mir nahm sie keine Notiz.
    »Sie wollten mit ihm weggehen«, sagte ich zu Paula. Ich hatte ihren Strohhut aufgehoben und hielt ihn ihr hin. Sie ließ mich eine Weile mit ausgestrecktem Arm dastehen, ehe sie den Hut nahm, ihn behutsam abklopfte, ihn abpustete und wieder aufsetzte.
    »Ja«, sagte sie kühl, »ich wollte mit ihm weggehen. Ich wollte noch mal was Neues machen, so wie er. Ich wollte, dass was Neues beginnt, was anderes, nach Jahren des… nach Jahren der immer gleichen Dinge…«
    »Und Sie haben aufgehört Ihre Freundin zu lieben.«
    »Das geht Sie so viel an wie ob ich mir Schuhe aus Kalbsleder oder aus Känguruleder kaufe«, sagte sie. Ich sagte: »Sie haben aufgehört sie zu lieben.«
    Sie erwiderte nichts.
    Lotte spielte mit dem Messer, saß gebückt auf dem Schemel, halb abgewandt von uns beiden.
    »Sie haben nie aufgehört, an Männer zu denken«, sagte ich.
    Paula stieß sich vom Tisch ab, ging nah an mir vorbei, ich roch ihre frisch gewaschenen Haare, und stellte sich hinter ihre Schwester. Nach einem Zögern legte sie ihr die Hände auf die Schultern.
    »Sie haben uns ausgehorcht«, sagte sie, mit dem Rücken zu mir. »Und das reicht jetzt.«
    Ich schwieg.
    Jemand klopfte von außen an das Türrollo. Wir sahen alle drei hin. Schritte waren zu hören. Wahrscheinlich ein Kind. Stille.
    Dann sagte Lotte: »Ich bin froh, dass wir darüber gesprochen haben. Auch wenn es nichts ändert. Es ist wichtig, dass wir das alles ausgesprochen haben.«
    »Ja«, sagte Paula.
    »Ja«, sagte Lotte.
    Ich sagte: »Mit den zwanzigtausend Mark wollten Sie beide ein neues Leben anfangen.«
    »Nein«, sagte Paula.
    »Er hat das Geld nicht wegen Ihnen abgehoben?«
    »Nein!«, sagte sie mit Nachdruck.
    »Was will er mit dem Geld?«
    Lotte drehte sich zu mir um. »Das möcht ich gern wissen. Ich glaub Paula. Ich glaub dir. Ich möchte wissen, warum er das getan hat. Er hat mir nichts davon gesagt, als er noch mal zurückgekommen ist. Können Sie das nicht herausfinden?«
    Ich stellte mich so hin, dass ich ihr ins Gesicht sehen konnte. »Ja«, sagte ich, »wenn ich Ihren Mann finde.«
    Wieder schwiegen wir.
    »Sie haben mit ihm gesprochen«, sagte ich zu Paula.
    »Sie waren hier bei ihm in der Werkstatt. Sie haben mit ihm Bier getrunken.«
    »Wer sagt das?«
    »Ihr Lippenstift ist an der Flasche.«
    Ruckartig stand Lotte auf, überlegte, wo sie das Messer hinlegen solle, und legte es dann auf die Werkbank zu den Klebstoffbehältern.
    »Wir wissen nicht, was er mit dem Geld will«, sagte Paula.
    »Wo wollten Sie denn mit ihm hin?«, fragte ich. Langsam entwickelte ich mich zu einem jener Fragenmonster, in das die Kollegen vom Mord bei komplizierten Vernehmungen oft mutierten.
    »Raus aus der Stadt, vielleicht an die Ostsee.«
    »Das ist nicht sehr weit weg.«
    »Weit genug«, sagte Paula.
    »Du hast dich an mir gerächt«, sagte Lotte. Sie stand bei der Eingangstür, und ich dachte schon, sie wolle das Rollo hochziehen. Den Gurt hatte sie schon in der Hand. »Weil ich dich gezwungen hab, bei mir zu bleiben, hast du heimlich ein Verhältnis mit Maximilian angefangen…«
    »Lotte!«
    »… Du hast ihn rumgekriegt, und ihr habt mich beide ausgetrickst. Er wollte sich auch an mir rächen, so wie du… Du hast…«
    Mit drei schnellen Schritten war Paula bei ihr und packte ihre Hände.
    »Was für ein Verhältnis denn?«, sagte sie laut. Dann senkte sie ihre Stimme. »Was kann man denn mit Max für ein Verhältnis haben? Ich wollte weg, und er auch. Er wollte auch weg! Er hat nur nie drüber geredet. Aber seit damals, als er uns… als er uns gesehen hat, wollte er weg, das weiß ich. Aber er war zu schwach dazu, zu feige, und jetzt… Jetzt hat er gedacht, er hat uns wieder erwischt, dabei… Es ist doch vorbei, Lotte, es ist vorbei mit uns, schon lang…«
    »Nein!«, sagte Lotte und biss sich auf die Lippen.
    »Doch. Ich hab gedacht, ich muss weg, sonst schaff ich das nie… Wenn ich hier bleib, dann komm ich nie los von dir…«
    »Warum willst du denn los von mir?«, rief Lotte.
    »Warum denn? Das ist doch gut mit uns, ich eng dich doch nicht ein! Du kannst kommen, wann du willst, du kannst machen, was du willst, ich tu dir doch nichts, ich sag dir nicht, was du tun sollst, das kannst du mir nicht vorwerfen…«
    »Nein«, sagte Paula, »nein, nein…«
    »Alles, was ich tu, ist, dass ich dich liebe.«
    »Alles,
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