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Psalms of Isaak 01. Sündenfall

Psalms of Isaak 01. Sündenfall

Titel: Psalms of Isaak 01. Sündenfall
Autoren: Ken Scholes
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Vorspiel
    Windwir ist eine Stadt aus Papier und Talaren und Stein.
    Unweit eines breiten, träge dahinfließenden Flusses kauert sie am Rande der Benannten Lande. Ihren Namen hat sie von einem Dichter, der zum Papst wurde – zum ersten Papst der Neuen Welt. Ein Dorf im Wald, das zum Mittelpunkt der Welt geworden war. Heimstatt des Androfranzinerordens und seiner Großen Bibliothek. Heimstatt vieler Wunder, sowohl wissenschaftlicher als auch magischer Natur.
    Eines dieser Wunder hält hoch oben Wacht.
    Es ist ein Vogel ganz aus Metall, ein goldener Funke vor der blauen Weite, der in der Nachmittagssonne aufblitzt. Der Vogel kreist und wartet ab.
    Als unten das Lied beginnt, verfolgt der goldene Vogel, wie sich die Melodie entfaltet. Ein Schatten fällt auf die Stadt und die Luft wird träge. Winzige Gestalten halten in ihren Bewegungen inne und blicken auf. Ein Schwarm Vögel erhebt sich und stiebt auseinander. Der Himmel wird entzweigerissen und Feuer regnet herab, bis nichts mehr bleibt als vollkommene Finsternis. Finsternis und Hitze.
    Die Hitze ergreift den Vogel und wirft ihn weiter in den Himmel hinein. Ein Zahnrad dreht durch; die Flügel des Vogels gleichen die Abweichung aus, doch eine heranwogende schwarze Wolke entreißt ihm im Vorbeiziehen ein Auge.
    Die Stadt schreit, dann seufzt sie sieben Mal, und nach dem siebten Seufzer kehrt das Sonnenlicht für kurze Zeit auf das versengte Land zurück. Die Ebene ist jetzt schwarz, Türme, Mauern und Zinnen sind in sich zusammengestürzt und in Kratern versunken, wo das Aufstampfen der Verwüstung Keller zum Einsturz gebracht hat. Ein Wald aus Knochen, von der uralten Blutmagie unversehrt gelassen, steht auf der rauchenden, pockennarbigen Ebene.
    Erneut verschlingt die Finsternis das Licht, als eine Säule aus Rauch und Asche die Sonne verdunkelt. Schließlich flieht der goldene Vogel nach Südwesten.
    Mit Leichtigkeit überholt er die anderen Vögel, die mit rauchenden Flügeln wild gegen die heißen Winde ankämpfen und Botschaften an ihren Beinen tragen, die mit weißem oder rotem oder schwarzem Garn befestigt sind.
    Funkenstiebend und knatternd eilt der goldene Vogel tief über die Landschaft dahin und träumt von dem Käfig, der auf ihn wartet.

Kapitel 1
    Rudolfo
    Der Wind fegte über das Gräserne Meer, und Rudolfo jagte ihm lachend nach, während er tief in den Sattel geduckt seinen Zigeunerspähern ein Rennen lieferte. Die Nachmittagssonne glitzerte golden auf dem wogenden Gras, und die Hufe der Pferde hämmerten ihr Lied weit hinaus.
    Rudolfo schwelgte in dem weiten gelben Ozean aus Gras, der die Neun Häuser der Neun Wälder voneinander und von den anderen Benannten Landen trennte – dies war seine Freiheit inmitten der Pflichterfüllung, ganz so, wie die Ozeane auch den zur See fahrenden Herren der Älteren Tage erschienen sein mussten. Er lächelte und trieb seinen Hengst an.
    In Schimmerschein, seinem ersten Haus der Neun Wälder, hatte er eine wunderbare Zeit verbracht. Rudolfo war vor der Morgendämmerung angekommen. Unter einem violetten Baldachin, der für Gerechtigkeit stand, hatte er ein Frühstück aus Ziegenkäse, Vollkornbrot und gekühltem Birnenwein zu sich genommen. Während seines Mahles hatte er schweigend den Anklagen gelauscht, als der Verwalter von Schimmerschein die Verbrecher vorführte, die diesen Monat gestellt worden waren. Weil er so ausgesprochen gut gelaunt war, überantwortete Rudolfo zwei Diebe den Ladenbesitzern, die durch sie zu Schaden gekommen waren, damit sie ihnen ein Jahr lang dienen sollten, wohingegen er den einzigen Mörder seinen Anatomen der Bußfertigen Folter im Foltertrakt überbringen ließ. Drei Anklagen wegen Prostitution ließ er fallen und warb anschließend zwei der Beschuldigten für seine eigene monatliche Runde an.
    Bis zum Mittagessen hatte Rudolfo Aeteros Theorie von der Sühnenden Verführung entschieden widerlegt und feierte dieses Ergebnis mit Fasan in Rahmsauce, der auf Wildreis mit Waldpilzen gereicht wurde.
    Dann war er mit vollem Bauch und einem Ruf auf den Lippen losgeritten, so dass seine Zigeunerspäher sich beeilen mussten, um mitzuhalten.
    In der Tat – ein guter Tag.
    »Was jetzt?«, fragte ihn der Hauptmann seiner Zigeunerspäher, der schreien musste, um die hämmernden Hufschläge zu übertönen.
    Rudolfo grinste. »Was würdest du sagen, Gregoric?«
    Gregoric erwiderte das Lächeln, was seine Narbe noch viel unbarmherziger wirken ließ. Der schwarze Schal, der seinen Rang
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