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Süden und das Gelöbnis des gefallenen Engels

Süden und das Gelöbnis des gefallenen Engels

Titel: Süden und das Gelöbnis des gefallenen Engels
Autoren: Friedrich Ani
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über die Dächer der Stadt zu schwimmen.
    Ich legte den Kopf in den Nacken. Die bunte Glaskuppel leuchtete so hell, als würde draußen noch die Sonne scheinen.
    In der Bar nebenan spielte eine Band. Bis vor wenigen Minuten saß ein Mann an meinem Tisch, der ein unendliches Gespräch mit seiner Freundin führte, in dem er ihr erklärte, wie brillant und originell er zu Abend gegessen hatte. So wie er das Lokal und die Gerichte beschrieb, war ich froh, dass ich nicht hatte mitessen müssen. Er verabschiedete sich von ihr mit einem routinierten »Ichdichauch«, steckte sein Handy ein, nickte mir zu, stand auf und eilte in die Bar. Es war gegen halb zwölf, als ich sie aus dem Fahrstuhl kommen sah.
    Nachdem Martin mir Bescheid gesagt hatte, beobachteten er und Sonja weiter ihre Wohnung, während ich mit dem Taxi ins »Vier Jahreszeiten« gefahren war.
    »Entschuldigung«, sagte ich.
    Sie erschrak nicht. »Was machen Sie hier?«
    »Ich will was mit Ihnen trinken«, sagte ich.
    »Ich bin müde.«
    Elke Schlosser zuckte mit der Schulter, damit der Riemen ihrer Ledertasche nicht runterrutschte, räusperte sich und ging an mir vorbei.
    Ich zeigte ihr meinen Tisch. Sie stellte die Tasche auf den Boden, ließ sich in den Sessel fallen und knöpfte ihren schwarzen glänzenden Mantel auf. Darunter trug sie ein rotes Kleid. »Rufen Sie die Agentur an!«, sagte sie.
    Ich sagte: »Wozu denn?«
    »Gibts hier auch was zu trinken?«, sagte sie.
    Der Ober war im Stress, und ich musste eine Zeit lang herumfuchteln, bis er mich bemerkte. Elke sah mich schweigend an. Dann zündete sie sich eine Zigarette an, wippte mit dem Oberkörper vor und zurück, blickte zur Rezeption, wo niemand sie beachtete, sah wieder mich an, grinste und drehte die Zigarette zwischen den Fingern.
    »Von mir erfährt weder die Ehefrau Ihren Namen noch sonst jemand«, sagte ich. »Ich will wissen, wo Maximilian Grauke ist und ob er vorhat, mit Ihnen wegzugehen. Wohin, geht mich nichts an. Ich will wissen…«
    »Nein«, unterbrach sie mich.
    »Nein, was?«
    »Was hätten Sie gern?«, sagte der Ober. Vielleicht war er in Sekundenschnelle aus dem Teppich gewachsen. Eben noch hatte ich ihn an der kleinen Theke im Vorraum Kaffee einschenken sehen.
    »Ein Glas Champagner«, sagte Elke.
    »Noch ein Bier«, sagte ich.
    »Sehr gern«, sagte der Ober. Er ging zum nächsten Tisch.
    »Nein«, wiederholte ich.
    »Ja«, sagte sie. Grinste wieder, drückte die Zigarette aus und tupfte sich den Mund mit dem Handrücken ab. »Er will nicht mit mir weggehen.«
    »Sondern allein.«
    »Nein«, sagte sie.
    »Er ist jetzt in Ihrer Wohnung.« Sie antwortete nicht.
    »Die zwanzigtausend Mark sind für Sie«, sagte ich. Sie zog ihren Mantel aus. Ich wollte ihr helfen, aber sie drehte sich zur Seite. Sie legte ihn über ihre Tasche. Jeder, der uns sah und schon öfter eine bestimmte Zeit in einer Hotellobby verbracht hatte, musste mich für einen Kunden der Dame in Rot halten. Für einen korpulenten, Bier trinkenden Kerl, der sich zu einer bürgerlichen Warteschleife mit Champagner verpflichtet fühlte. Sie schwieg wieder. Das war mir angenehm. Vielleicht dachte sie an den Freier, bei dem sie gerade gewesen war, vielleicht war er Stammkunde in ihrer Agentur, und sie hatte Freude an ihm.
    »Woran denken Sie jetzt?«, sagte sie plötzlich. Ich sagte: »An Sie.«
    »Ein andermal«, sagte sie.
    Da war ein heiteres Begehren in ihrer Stimme. Oder das Bier wirkte sich schädlich auf mein Gehör aus.
    »Zum Wohl, die Herrschaften!«, sagte der Ober.
    Elke hob ihr Glas, prostete mir zu und trank einen minimalen Schluck. Anders als ich. Ich trank wie immer.
    »Wissen Sie, wo das Paradies des Friedens liegt?«, sagte sie. Betrachtete ratlos die Packung Zigaretten und zündete sich dann eine neue an.
    »Im Himmel?«, sagte ich.
    Sie lächelte. »Miriam wollte da hin, sie hat gesagt, Prinzessin Diana war dort und sie will da auch hin. Das war Miriams größter Wunsch. Vielleicht ist sie ja jetzt dort. Kann ja sein.« Diesmal trank sie einen langen Schluck und behielt das Glas in der Hand. Es sah aus, als würde sie daran riechen.
    »Wo ist das Paradies des Friedens?«, fragte ich. Sie sagte: »Auf Moyo Island.«
    Schade, dass Martin nicht hier war. Er lernte seine Reiseprospekte immer halb auswendig.
    »Und Sie wollen Miriam besuchen«, sagte ich. »Mit dem Geld von Maximilian Grauke.«
    »Ganz genau«, sagte sie.
    »Und Grauke fährt nicht mit.«
    »No«, sagte sie, lehnte sich zurück, strich sich
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