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050 - Das Kind der Hexe

050 - Das Kind der Hexe

Titel: 050 - Das Kind der Hexe
Autoren: Dämonenkiller
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Die Hexe hielt noch im Schlaf den Kopf der enthaupteten Schlange fest. Der Daumen presste sich gegen den Giftzahn, und auf seiner Kuppe perlte ein Tropfen des tödlichen Giftes. Sie lag mit leicht gegrätschten Beinen auf dem schwarzen Inlett. Nackt. Das andere Leinentuch, das weiße mit dem großen Blutfleck, spannte sich wie ein Baldachin über das Bett. Der Brustkorb mit den alten, schlaffen Brüsten hob und senkte sich, während sie schwer und seufzend atmete. Betäubt durch die berauschenden Kräuterdämpfe, rief sie in ihren Träumen nach IHM.
    Schon seit Wochen vollführte sie tagtäglich das gleiche Ritual, auf dass er sie erhöre. Bei Einbruch der Dunkelheit öffnete sie das Fenster ihres Schlafzimmers, kochte Kräuter und schöpfte den Sud in Opferschalen, die sie aufs Fensterbrett stellte und über ihr Schlafzimmer verteilte. Alles nach dem ewig gleichen vorbestimmten Ritual. Und sie entzündete Räucherstäbchen, die sie, jeweils eine Handspanne voneinander entfernt, in einer Reihe vom Fenster bis zu ihrer Schlafstätte aufstellte.
    Damit ER am Duft der dämonischen Gerüche den Weg zu ihr finde! Als sie mit ihren Vorbereitungen soweit gekommen war, hatte sie unter Beschwörungen jeden Abend eine Schlange oder eine Kröte geköpft. Doch das alles war ohne Erfolg geblieben. ER war nicht gekommen. ER hatte den Weg zu seiner gehorsamen und hörigen Dienerin nicht gefunden. Geduldig und voller Erwartung hatte sie weiterhin ihre Opfer dargebracht, den schwarzen Altar – aus den Beckenknochen einer Jungfrau – geschmückt. Sie hatte all ihre Träume nur IHM gewidmet.
    ER würde bestimmt wiederkommen. Das fühlte sie mit jeder Faser ihres verbrauchten, runzeligen Körpers. Und wenn ER da war, würde ihr Körper wieder in Schönheit erblühen. Ein tiefer Seufzer entrang sich der Brust der Hexe. Ihr Körper erschauerte. Aber nicht etwa unter der Kälte, die mit dem Nebel durchs Fenster eindrang. O nein, der Traum hatte ihr etwas mitgeteilt. Sie hatte Zeichen gesehen, Leuchtfeuer des Teuflischen, die ihr zu verstehen gaben, dass heute die Nacht der Nächte sein würde. Nach wochenlanger Abwesenheit würde ER endlich wieder den Weg zu ihr finden.
    Vor dem offenen Fenster wirbelten die Nebel unruhiger als zuvor, drangen in den Raum ein, der mit schwarzem Stoff ausgeschlagen war. Das Feuer der schwarzen Kerzen begann zu flackern. Die Räucherstäbchen verbogen sich wie Wachs in großer Hitze, zerflossen, wurden zu bizarren Klumpen. Und da – aus dem Nebel tauchte ein Schemen auf. Eine Gestalt, wie ein Bock durch die Luft springend und tanzend wie ein Faun. Die Stille der Nacht wurde von schallendem Gelächter durchbrochen. Es kam von weit her, direkt aus der Unterwelt, und war doch wiederum ganz nahe. Es war das gemeine, lüsterne Lachen eines Satyrs. Die Gestalt hatte sich verdichtet, doch ihre Konturen blieben verschwommen. ER war da!
    Die Hexe bäumte sich auf, ihre Hände krallten sich um den Schlangenschädel.
    ER stieg durch das Fenster, setzte einen Fuß vor den anderen. Jeder Schritt brachte ihn von einem Räucherstäbchen zum anderen. Er hob eine Opferschale mit dem Gebräu aus Hexenkräutern hoch und schlürfte schmatzend, so dass es durch das ganze Haus hallte.
    Und jeder Schritt von ihm ließ den Raum erbeben. Um seine Schultern schwebten die Dämpfe der Räucherstäbchen wie ein wallender Umhang, und sie erstrahlten in einem grünlichen Licht. Er atmete tiefe Schwärze, und die Schwärze hüllte die Hexe ein wie der Arm eines Riesen. Und sein Kuss war Gewalt. Seine Stimme ein Grollen.
    »Margarita …«
    Magus, Magus, Magus! Warum hast du mich verstoßen? Mein Leben war ohne Inhalt, schrecklicher als die Kälte des Todes, eine Kette von Entsagungen.
    »Margarita Voisin. Ich vergesse meine Dienerinnen nie, wenn sie mir die Treue bewahren. Und du bliebst mir treu. Ich habe deine Opfer nicht übersehen, doch war es mir versagt, sie anzunehmen. Jetzt bin ich da, und du gehörst wieder mir.«
    Die Hexe spürte, dass eine lange nicht mehr gekannte Kraft ihren Körper durchströmte. Sie fühlte sich schweben, durch die Ewigkeit taumeln, und sie suchte nach Halt. Ihre Hände verfingen sich in seinen Haaren. Und auf einmal war ihr, als spüre sie unter den borstigen, stacheligen Strähnen ein zweites Gesicht auf dem Hinterkopf.
    Der Magus fauchte und schüttelte seinen mächtigen Körper, und ihre haltsuchenden Hände wurden fortgeschleudert. Noch lange stampfte er wütend mit den Beinen und äußerte seinen
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