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Sturm

Sturm

Titel: Sturm
Autoren: Claudia Kern
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das Talent, mit dem du uns heute Abend erfreuen wirst?«
    »Nun …«
    »Wenn es Euch beliebt«, unterbrach ihn der Zwerg. Seine Stimme klang merkwürdig gepresst.
    »Ich glaube, es wird uns belieben.« Der Fürst nickte den Wachen zu zum Zeichen, dass die Audienz beendet war. »Ich habe die Dienerschaft angewiesen, euch mit allem zu versorgen, was ihr benötigt. Der Geburtstag meiner Tochter soll für alle ein Fest sein.«
    »Es wird ein Fest werden, das niemand so schnell vergessen wird, mein Fürst.« Daneel lächelte erneut und zeigte nichts außer rosa Zahnfleisch. »Mit Eurer Erlaubnis werden wir uns jetzt um den Aufbau kümmern. Einige Vorführungen sind recht aufwendig.«
    »Natürlich.« Der Fürst nickte.
    Ana betrachtete die beiden Gaukler. Obwohl Daneel fast das gesamte Gespräch bestritten hatte, wurde sie den Eindruck nicht los, dass der Zwerg es eigentlich bestimmt hatte.
    »Ana«, sagte Gerit, als seine Eltern sich abwandten, um ins Haus zurückzugehen, »glaubst du, dass Daneel wirklich bei der Ewigen Garde war?«
    Ana wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Er wollte es glauben, und wenn sie ehrlich war, wollte sie es auch. Sie hätte lieber einen Offizier beherbergt, der sein Leben für die Liebe geopfert hatte, als einen Matrosen, dem die Zähne ausgefallen waren.
    »Ja«, log sie, »ich glaube es.«
    Gerit nickte. »Ich auch.«
    Ein plötzlicher Windstoß riss den Himmel auf. Banner und Fahnen begannen zu knattern, die Gaukler rückten näher aneinander. Anas Umhang blähte sich auf und flatterte hinter ihr im Wind. Das Sonnenlicht ließ ihr Kleid glitzern und blendete sie.
    »Was für ein wunderschönes Kleid«, sagte der Zwerg mit seiner seltsamen Stimme. »Ein Kleid gemacht für eine Göttin.«
    »Sag das nicht.« Ana zog den Umhang hastig zusammen.
    »Warum nicht? Warum sollte ich die Wahrheit verschweigen?« Der Zwerg stand vor ihr und starrte sie aus wässrigen blauen Augen an. Sie hatte nicht bemerkt, dass er ihr so nahe gekommen war.
    »Komm, Gerit, wir gehen rein.« Sie zog ihren Bruder die Stufen hinauf. Der Zwerg schien ihr folgen zu wollen, aber der dunkle Schatten, der vor ihm auf den Boden fiel, hielt ihn so sicher zurück wie eine Kette.
    »Glaubst du etwa an diesen abergläubischen Mist?« Gerit löste sich aus ihrem Griff und schüttelte den Kopf. »Vater sagt, das sei alles Unsinn.«
    »Natürlich glaube ich nicht daran. Mir ist nur kalt, das ist alles.« Ihre Worte klangen so scharf, dass Gerit nicht weiter nachhakte.
    »Schon gut«, sagte er.
    Ana ignorierte ihn. Sorgfältig knotete sie den Gürtel des Umhangs zusammen. Er hat Recht, dachte sie, das ist nur Aberglaube. Die Götter werden mich nicht strafen. Wahrscheinlich haben sie gar nichts bemerkt. Es war doch nur ein paar Atemzüge lang zu sehen.
    Sie blickte zurück zum Eingang. Der Zwerg stand in der Sonne, der dunkle Schatten des Leibwächters neben ihm.
    Er lächelte.

 
    Kapitel 2
     
    Nur selten sieht man einen Altar am Wegesrand, und wenn man die Menschen Somerstorms nach ihren Göttern fragt, schütteln sie nur ablehnend den Kopf. Dies ist eine Geste, an die sich der Reisende gewöhnen sollte, denn er wird ihr auch bei vielen anderen Fragen begegnen.
    Jonaddyn Flerr, Die Fürstentümer und Provinzen der vier Königreiche, Band 2
     
     
    Es war heiß und stickig im Bankettsaal der Festung Somerstorm. Acht Kamine waren in die steinernen Wände des Saals eingelassen, in vieren davon brannte Feuer. Das Aroma des Süßholzes, das man eigens vom Großen Fluss hierhergebracht hatte, vermischte sich mit dem Geruch nach Schweiß und Ziegenfett.
    Ana hatte die Gäste nicht gezählt, die an den hufeisenförmig aufgestellten Tischen saßen, aber sie schätzte, dass es über zweihundert waren. Fast alle, die ihr Vater eingeladen hatte, waren gekommen. Ana sah Karral, den Fürsten von Braekor, der mit zwei seiner Frauen und elf seiner Kinder einen ganzen Tisch für sich allein beanspruchte. Er saß am oberen linken Ende des Hufeisens zum Zeichen für die guten Beziehungen, die Somerstorm und Braekor pflegten. Einen Tisch weiter entfernt saßen die Zwillingsbrüder Huko und Ramon, die gemeinsam über einige kleine Inseln regierten. Im Krieg waren sie neutral geblieben, deshalb wurden sie von den meisten Herrscherhäusern geächtet. Einem dieser Herrscherhäuser stand Fürst Marg vor. Sein hageres, finsteres Gesicht verriet die Schmach, die er empfand, weil man ihn neben die Brüder und weit entfernt von den Gastgebern
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