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Straße nach überallhin

Straße nach überallhin

Titel: Straße nach überallhin
Autoren: Roger Zelazny
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hinunter und ließ den kleinen Mann verwirrt vor der Tür stehen. Red taumelte mit ihm und nickte dem blauen Lieferwagen zu, neben dem Timyin Tins schwarzes Fahrzeug stand. Bei ihrer Annäherung gingen die Türen auf, und Red schnellte in den Fahrersitz hinter das Lenkrad. Noch während Chadwick einstieg, sprang der Motor an, die Türen schlugen zu. Der Wagen fuhr an.
    „Zur Straße!“ befahl Red.
    „Bisher hatte ich noch nie Ärger mit Angestellten“, beschwerte Chadwick sich.
    „Wer ist der Bursche?“ fragte Fleurs.
    Die Wand um die Eingangstür herum begann zu zittern. Timyin Tin hastete die Stufen herab. Der Wagen beschleunigte und näherte sich der Straße.
    „Seltsam und doch wieder nicht seltsam“, kommentierte Chadwick. „Und genau zur rechten Zeit.“

 
     
Eins
     
     
     
    Während sie unter dem goldenen Bogen die Straße hinabfuhren, zündete Red eine Zigarre an und betrachtete seinen Passagier unter dem Schatten seiner Mütze hervor. Chadwick, in vielen Farben geschminkt, seine dicken Finger von Ringen geschmückt, schwitzte noch immer von dem kurzen Lauf bis zum Wagen. Jedesmal, wenn er sich bewegte, wurde der konturangepaßte Sessel unter ihm einer radikalen Veränderung unterzogen. Da er sich oft bewegte, mußte der Sessel sich auch andauernd seiner Figur anpassen. Er klopfte mit den Fingerspitzen. Er sah zum Fenster hinaus, dann wieder zu Red.
    „Du bist nicht mehr in Form, Chad“, kommentierte er.
    „Ich weiß“, antwortete der andere und schlug die Augen nieder. „Schrecklich, nicht wahr? Betrachtet man, was ich einst gewesen bin …“ Dann lächelte er. „Trotzdem, kann nicht sagen, es hätte keinen Spaß gemacht.“
    „Zigarre?“ schlug Red vor.
    „Ich nehm’ eine.“
    Er nahm eine Zigarre, zündete sie an, wandte sich dann plötzlich wieder an Red.
    „Andererseits bist du nicht mehr so alt, wie du einst warst“, sagte er und gestikulierte mit dem Zündholz. „Weißt du, warum ich dich hasse?“
    „Ja“, sagte Red. „Abgesehen von deinem üblen Zustand, deinem Übergewicht, deinem Make-up würde ich sagen, du bist der Person, die ich einst gekannt habe, immer noch ziemlich ähnlich. Ich glaube, unser beider Gesundheitszustand ist sehr ähnlich, nur ist deiner hinter einer Maske verborgen.“
    Chadwick schüttelte den Kopf.
    „Komm schon, Red! Das kann nicht sein. Glaubst du denn, ich – oder meine Ärzte – wüßte nicht, wenn ich jünger und kräftiger und gesünder werden würde?“
    „Nein. Wie auch immer der Prozeß geartet sein mag, in deinem Fall muß er gegen eine Menge Faktoren ankämpfen. Bei dir muß er laufen, nur um mithalten zu können. Für deinen Lebenswandel bist du in einem bemerkenswert guten Zustand. Auch mit dem besten medizinischen Beistand wäre jeder andere an deiner Stelle bereits gestorben.“
    „Ich wollte, ich könnte dir glauben, aber ich kann dir nur in einem zustimmen: Ich habe eine Konstitution wie ein Pferd.“
    „… du hast eine Affinität für Feuer, du sammelst gierig Werte, um dich …“
    „Du bist verrückt! Jeder liebt Geld und Besitztümer. Das beweist gar nichts. Und was das Feuer angeht …“ Er zog heftig an der Zigarre und stieß eine Rauchwolke aus. „Jeder hat seinen kleinen Tick. Nur weil mein Erinnerungsvermögen auch lückenhaft ist …“
    „Wer war dein Vater?“
    Chadwick zuckte die Achseln.
    „Wer weiß? Ich erinnere mich nur, in einem Wirtshaus gelebt zu haben.“
    „In der Nähe einer Straßenzufahrt.“
    „Was beweist das? Vielleicht war mein Vater ein Straßenfahrer. Irgendwoher muß ich das Talent ja haben. Das bedeutet noch lange nicht, daß er so etwas wie du war …“ Er schwieg einen Augenblick. „O nein“, sagte er dann. „Du willst mir doch hoffentlich nicht weismachen, du wärst mein Vater?“
    „Das habe ich nie gesagt – oder gedacht. Aber …“
    „Das Ganze muß eine Spinnerei von dir sein. Es ist zu verrückt. Es sind mir zu viele Mutmaßungen und wilde Vorstellungen im Spiel …“
    „Das sage ich auch immer“, warf Fleurs ein. „Wenn Sie ihn nur irgendwo eingesperrt und einen Therapeuten auf ihn angesetzt hätten.“
    „Sie hat recht“, sagte Chadwick. „Dein Denken wird zu sehr von deinen wirren Träumen und bruchstückhaften Erinnerungen bestimmt.“
    Red kaute an seiner Zigarre und sah weg.
    „Also gut“, sagte er schließlich. „Vielleicht. Dann sag mir eines: Warum hast du die Zehn abgeblasen und bist mit mir gekommen?“
    Chadwicks Finger trommelten ein Stakkato
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