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Straße nach überallhin

Straße nach überallhin

Titel: Straße nach überallhin
Autoren: Roger Zelazny
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Zwei
     
     
     
     „Zieh rüber!“ schrie Leila.
    Randy steuerte augenblicklich nach rechts und bremste den Wagen. Der Himmel pulsierte einer perlgrauen Frühdämmerung entgegen.
    „Schau hinter dich.“
    Er nickte und legte den Rückwärtsgang ein.
    „Diese Leute dort? Wir könnten einfach hingehen …“
    „Ich möchte sie lieber etwas näher betrachten, bevor wir aussteigen.“
    „Okay“, sagte er, während sie zurückfuhren.
    Sie wandte sich um und betrachtete das verbeulte graue Vehikel. Zwei Gestalten saßen im Innern. Beide schienen weißhaarig zu sein, doch das Licht war noch immer trügerisch. Beide schienen sie zu beobachten.
    „Noch einen Augenblick, dann wird die Fahrertür aufgehen“, sagte sie leise.
    Sie ging auf.
    „Jetzt die andere.“
    Auch die andere Tür wurde geöffnet.
    „Der alte Mann fuhr, die Frau war nur Beifahrerin …“
    Ein alter Mann und eine alte Frau stiegen aus, traten nach vorn, ließen beide Türen offen. Sie trugen zerlumpte Umhänge, die von Spangen gehalten wurden.
    „Halt“, sagte sie. „Laß uns zurückgehen und ihnen helfen. Die Verteilerkappe hat sich gelöst.“
    „Teil deiner Vision?“
    „Nein“, antwortete sie.
    Sie öffnete die Tür, stieg aus und ging zurück. Er folgte ihr. Der erste Eindruck, den er bekam, als sie näher kamen, war der, daß der Mann viel zu alt zum Fahren war. Er lehnte sich mit hängenden Schultern an das Auto. Seine freie Hand zitterte unmerklich, sie war trocken und fleckig, klauenähnlich. Tiefe Linien durchzogen sein Gesicht, seine Brauen waren weiß wie sein Haupthaar. Dann traf sein Blick den Randys und hielt ihn gefangen – grün, fast blitzend. Eine Lebhaftigkeit spiegelte sich darin, die ihm drei Meter weiter zurück nicht aufgefallen war. Randy lächelte ihm zu, doch der Mann zeigte keine Reaktion.
    Mittlerweile hatte Leila sich der alten Frau genähert und unterhielt sich mit ihr in einer Sprache, die Randy fremd war.
    „Wenn Sie mich einen Blick unter die Haube werfen ließen“, schlug Randy vor, „könnte ich Ihnen vielleicht helfen.“
    Da der Mann nicht antwortete, wiederholte er sein Angebot in einem altertümlichen Idiom. Auch darauf erfolgte keine Reaktion. Der Mann schien sein Gesicht zu studieren, seine Kleidung, seine Bewegungen. Unter dem abschätzenden Blick dieser Augen fühlte Randy sich unbehaglich. Er warf Leila einen flehenden Blick zu.
    „Schon gut“, sagte sie. „Öffne die Haube und bring es in Ordnung. Sie wissen nicht, wie der Motor funktioniert. Ich erkläre ihnen gerade, was Treibstoff ist.“
    Als er sich hinabbeugte, um den Verschluß zu öffnen, sah er, wie Leila der Frau ein dickes Bündel Geldscheine gab. Der Mann wich zurück, als er die Haube wenige Zentimeter anhob. Als Randy sie ganz öffnete und zurückklappte, hörte er einen erstaunten Ausruf aus dieser Richtung.
    Ja. Die Verteilerkappe hatte sich gelöst. Er rückte sie an ihren Platz zurück und befestigte sie. Dann warf er noch einen flüchtigen Blick auf den Rest des Motors, konnte aber nichts mehr entdecken.
    „Könnten Sie bitte einmal den Starter betätigen, Sir?“ fragte er.
    Als er aufsah, lächelte der Mann ihm zu.
    „Ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen können, aber man müßte einmal den Starter betätigen“, sagte Randy. Dann, als der andere nicht antwortete, sagte er: „Ich tu’s selbst.“
    Randy ging an dem Mann vorbei und sah ins Innere des Wagens. Der Schlüssel steckte noch im Zündschloß. Er schlüpfte hinein und probierte es. Einen Augenblick später sprang der Motor an. Er stellte ihn wieder ab und versuchte es ein zweites Mal. Nun erwiderte er das Lächeln des alten Mannes.
    „Alles in Ordnung.“
    Der Mann beugte sich unvermittelt nach vorn und umarmte ihn wie ein Bär. Er war überraschend stark, und sein Atem war heiß.
    „Name. Ihr Name, guter Mann?“ fragte er.
    „Randy. Ich bin Randy … Dorakeen“, antwortete er und befreite sich aus dem Griff.
    „Dorakeen. Hübscher Name“, sagte der andere.
    Leila war um das Auto herumgegangen, sie stand hinter ihnen. Die alte Frau war ihr gefolgt.
    „Sie kommen schon zurecht“, sagte sie. „Komm – wir müssen gehen. Wir dürfen die Ausfahrt nach Babylon nicht verpassen.“
    Sie zischte dem alten Mann etwas zu, und dieser nickte. Sie umarmte die alte Frau lange. Schließlich riß sie sich los und ging zurück zum Wagen. Randy folgte ihr rasch. Zurückblickend sah er, daß das Pärchen bereits in das Auto eingestiegen war. Er hörte den
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