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Straße nach überallhin

Straße nach überallhin

Titel: Straße nach überallhin
Autoren: Roger Zelazny
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Motor aufheulen. Dann fuhr das Auto auf die Straße und war verschwunden. In diesem Augenblick ging die Sonne auf, und er sah, daß Leila weinte. Von seltsamen Gefühlen erfüllt, sah er weg.

 
     
Eins
     
     
     
    Red Dorakeen befand sich auf einem verlassenen Straßenabschnitt, schnurgerade, totenstill und leise funkelnd. Vor einigen Stunden waren ein paar futuristisch aussehende Fahrzeuge an ihm vorbeigefahren, später hatte er selbst dann eine vierspännige Kutsche, danach einen einzelnen Reitersmann überholt. Er hielt das Lenkrad des Dodge mit der rechten Hand fest und behielt seine konstante Geschwindigkeit von 110 km/h bei. Summend kaute er auf seiner Zigarre.
    Der Himmel war hellblau, eine grelle Linie zog sich von Osten nach Westen. Es gab keinen nennenswerten Staub, keine Insekten klatschten gegen die Windschutzscheibe.
    Er fuhr mit offenem Fenster, seine linke Hand ruhte auf dem Türrahmen. Er trug eine verblichene Baseballmütze, den Schirm hatte er tief in die Stirn gezogen. Er hatte den Kopf leicht zurückgelegt, seine Augen waren im Schatten der Mütze kaum zu erkennen. Sein struppiger Bart hätte ein wenig dunkler als sein Haupthaar sein können.
    Weit vor ihm tauchte ein winziger Fleck auf. Er wuchs rasch an, wobei er sich in einen zerschrammten Volkswagen verwandelte. Im Vorüberfahren hupte der Fahrer des anderen Wagens. Er rollte aus und kam am Straßenrand zum Stillstand.
    Red sah in den Seitenspiegel, trat auf die Bremse und lenkte nach rechts. Als er seine Geschwindigkeit verlangsamte, begann der Himmel zu pulsieren – blau, grau, blau, grau –, und der helle Streifen verblaßte.
    Als er endlich stillstand, hatte ein klarer Abend sich um ihn herum materialisiert. Irgendwo in der Ferne zirpten Grillen, eine kühle Brise wehte vorüber. Er öffnete die Tür und kletterte aus der Fahrerkabine. Im Herabspringen zog er den Zündschlüssel ab und steckte ihn in die Tasche. Er trug Levis und Kampfstiefel, eine braune Skiweste über seinem khakifarbenem Hemd, dazu einen breiten Gürtel mit einer reichverzierten Schnalle. Er nahm die Mütze ab und zündete seine Zigarre wieder an. Dann, nach einer Pause, sah er zurück.
    Man konnte die Straße nicht überqueren, ohne den sicheren Tod zu riskieren. Aus diesem Grund ging er auf seiner Seite zurück bis er dem Volkswagen direkt gegenüberstand. Dort angekommen, ging die Tür des Autos auf, und ein kleiner Mann mit einem dünnen Oberlippenbärtchen kam heraus.
    „Red!“ rief er. „Red …?“
    „Was ist los, Adolph?“ polterte er. „Suchst du immer noch den Ort, wo du gewonnen hast?“
    „Hör zu, Red“, sagte der andere. „Ich weiß nicht, ob ich dir alles erzählen soll, weil ich mir nicht darüber im klaren bin, ob ich dich mehr hasse, als ich mich dir verpflichtet fühle. Aber ich habe keine Ahnung, ob die Information dir nützt oder schadet. Wird sich wohl gleichbleiben. Ich werd’s dir erzählen. Ich fuhr in der Frühe die Straße hinab und sah, was sich an der Ausfahrt mit der blauen Zikkuratmarkierung abspielte …“
    „Dem blauen Zikkurat?“
    „Dem blauen Zikkurat. Ich habe dich dort hochgehen sehen. Dein Wagen brannte.“
    Red Dorakeen schwieg mehrere Augenblicke. Dann lachte er.
    „Der Tod“, sagte er, „wird ziemlich überrascht sein, wenn er demnächst an mir vorbeifährt. Er wird sich fragen: ,Was macht dieser Mann im Athen des Themistokles, wo er doch eine Verabredung an der Ausfahrt nach Babylon mit mir hat?’“
    Seine große Gestalt wurde erneut von Lachen durchgeschüttelt. Dann blies er ein Rauchwölkchen aus und hob seine rechte Hand zu einem spöttischen Salut.
    „Trotzdem danke“, sagte er. „Gut für mich, daß ich Bescheid weiß.“
    Er wandte sich um und ging wieder in Richtung seines Wagens.
    „Noch etwas“, rief der andere hinter ihm her.
    Er blieb stehen und wandte den Kopf um.
    „Das wäre?“
    „Du hättest ein großer Mann werden können. Bis bald.“
    „Auf Wiedersehen.“
    Red kletterte in die Kabine und ließ den Motor an. Bald war der Himmel wieder hellblau.

 
     
Zwei
     
     
     
    Als die Dämmerung von der stillen und noch immer zerschmetterten Linie des Horizontes Besitz ergriff, regte sich Strangulena auf ihrem Boot im East River. Langsam und sanft stieß sie das Fell beiseite, das sie bedeckte, und strich eine flammende Haarsträhne aus dem Gesicht. Ihre Fingerspitzen berührten die sensitiven Stellen ihres Körpers, wo die Spuren der Inbrunst ihres Liebhabers langsam sichtbar
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